Wie ein altes Harmonium nach Hollywood führt

Komponist Volker Bertelmann im GesprächWie ein altes Harmonium nach Hollywood führt

Komponist Volker Bertelmann hat für seinen Soundtrack zu „Im Westen nichts Neues“ den BAFTA gewonnen. Nun könnte der Oscar folgen.

Wie ein altes Harmonium nach Hollywood führtFoto: Carsten Sandner

Zweite Oscar-Nominierung

Das Antikriegsdrama „Im Westen nichts Neues“ von Regisseur Edward Berger ist DIE große deutsche Oscar-Hoffnung und wurde gleich neun Mal nominiert! Auch Komponist Volker Bertelmann, vielleicht einigen von Ihnen unter seinem Künstlernamen Hauschka bekannt, hat Aussichten auf einen Goldjungen.

Im exklusiven Klassik Radio-Gespräch ging es natürlich auch um den wichtigsten Filmpreis der Welt: „Ich kenne zumindest schon die Orte und ich weiß, welche Energie die Oscar-Gala hat und wie aufgeregt man da ist“, erzählt Bertelmann. Im Gegensatz zu seiner ersten Nominierung, bei der er zusammen mit seinem Freund und Co-Komponisten Dustin O’Halloran ins Rennen gegangen war, ist der Düsseldorfer nun das erste Mal allein nominiert. „Das ist nochmal eine andere Ehrung und natürlich ganz besonders“, freut er sich.

Oscar-Rede ist vorbereitet

Besonders ist ja überhaupt die Tatsache, dass es noch nie einen deutschen Film mit so vielen Oscar-Nominierungen gab. Hat er denn auch schon eine mögliche Gewinner-Rede vorbereitet? „Natürlich“, lacht Bertelmann. „Du muss immer damit rechnen, dass du gewinnst, auch wenn du verlierst“. Das ist natürlich die große Schwierigkeit, sich auf der einen Seite nicht zu sehr auf den Gewinn zu versteifen, sodass die Enttäuschung nicht allzu groß ausfällt, sollte es nicht klappen. Andererseits aber auch gut vorbereitet zu sein. Beim Gewinn des BAFTA war Bertelmann froh, zumindest ein Gerüst parat gehabt zu haben.

Familienerbstück Harmonium

Besonders intensiv mit dem Ersten Weltkrieg hat er sich für die Arbeit an seinem Soundtrack nicht beschäftigt, aber er wusste von Anfang an, dass er ein Instrument aus der damaligen Zeit benutzen wollte. Durch einen Zufall hatte er, etwa ein Jahr bevor er mit der Arbeit am Soundtrack zu „Im Westen nichts Neues“ begann, ein altes Familienerbstück von seiner Ur-Ur-Großmutter bekommen - ein altes Harmonium. Das musste nur noch repariert werden und wurde dann zum wichtigen Bestandteil der Musik.

Denn auf diesem Instrument entstanden die ersten drei Töne seines Scores. Und dieses kurze Motiv, das Bertelmann direkt nach der ersten Sichtung des Films komponiert hatte, schickte er zu Regisseur Edward Berger. Ein recht ungewöhnlicher Vorgang, denn normalerweise arbeitet man als Komponist erstmal wochenlang an Themen und tüftelt herum, um dem Regisseur erst dann möglichst viele verschiedene musikalische Motive zu schicken, damit der sich anhand einer großen Auswahl für ein Thema entscheiden kann.

Konkrete Wünsche vom Regisseur

In diesem Fall passten Volker Bertelmanns Ideen sofort perfekt – ein paar konkrete Vorstellungen von der Musik hatte Regisseur Berger aber dann doch: „Er wollte gerne Musik für Paul Bäumers Magen haben, also so eine Art Bauchgefühl-Sound“, erläutert der Komponist. „Dann wollte Edward Berger eine Snare Drum im Score haben, die allerdings von jemandem gespielt wird, der das gar nicht kann, das sollte rhythmisch kaputt klingen. Er wollte auch, dass die Musik die große Zerstörung abbildet, ich sollte keine pathetisch oder heroisch aufgeladene Musik schreiben und er wollte gerne von mir etwas, was ich noch nie gemacht habe“, beschreibt Bertelmann die Vorstellungen seines Regisseurs.

Szenenbild aus
Foto: Reiner Bajo / Netflix

Brachiale Klänge und stille Momente der Hoffnung

Bertelmann und Berger haben schon einige Male miteinander gearbeitet und verstehen sich sehr gut, war natürlich eine perfekte Grundlage für diese erneute Zusammenarbeit war. Bei der Arbeit an seinem Score war es Bertelmann wichtig, dass er nicht nur die grausamen Schlachten und das mörderische Geschehen in den Schützengräbern musikalisch abbildet, mit brachialen und düsteren Klängen, sondern dass es auch stille musikalische Momente gibt. Momente der Sehnsucht nach der Heimat oder der Freundin, aber auch Momente der Hoffnung und den Glauben daran, dass das Leben doch lebenswert sein kann.

Szenenbild aus
Foto: Reiner Bajo / Netflix

Gesamtes Gespräch in der „Cinemashow“

Welche filmmusikalischen Vorbilder Volker Bertelmann hat, wer ihn immer wieder mit seinen Scores inspiriert und warum er sich für den Künstlernamen Hauschka entschieden hat und ob er dabei von den gleichnamigen Naturkosmetik-Produkten beeinflusst wurde, das hören Sie am Donnerstag (02.03.) ab 19 Uhr in unserer „Cinemashow“.

28.02.2023