145 Jahre Haydn-Variationen

Musikalisches Recycling
Zur Zeit der Renaissance und des Barock war die musikalische Wiederverwertung eine ganz normale Praxis: man bediente sich bereits komponierter Musik, um sie in einem ganz ähnlichen Stil für seine eigene Komposition zu verwenden.Ein vermeintlicher Haydn als Vorbild
Die Musik Joseph Haydns schätzte Brahms sehr. „Das war ein Kerl! Wie miserabel sind wir gegen sowas!“ schreibt er über sein Vorbild aus der Wiener Klassik. Haydns Musik hatte Brahms ausgiebig studiert, vor allem dessen Sinfonien und Klaviertrios.Brahms, den es aus seiner Heimat Hamburg nach Wien gebracht hatte, entdeckte im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde Wien den Chorale St. Antoni aus einer Feldpartie (verwandt mit dem Divertimento), das er Joseph Haydn zuschreibt. Später stellt sich heraus, dass die Musik tatsächlich nicht von Haydn stammt, sondern wahrscheinlich vom Haydnschüler Ignaz Pleyel.
Brahms Variationen bestehen aus einem Thema, das er acht Mal variiert, und einem Finale, das allerdings nicht wie gewohnt rauschend, sondern sanft ausfällt.
Meister der entwickelnden Variation
Als Meister der entwickelnden Variation bezeichnet Arnold Schönberg 1949 Johannes Brahms im Aufsatz „Brahms, der Fortschrittliche“. Damit korrigiert er das Bild Johannes Brahms‘ eines konservativen Komponisten, der seinen Blick auf die Musik der vergangenen Zeit gerichtet hat, wie es zu Brahms Lebzeiten häufig die Kategorisierung war, im positiven Sinne bei den „Traditionalisten“ wie bei seinem Förderer Eduard Hanslick, aber auch im negativen Sinne bei den „Neudeutschen“ wie Richard Wagner, der Brahms' Musik als rückwärtsgewandt empfand.„Diese Haydn-Variationen haben für mich etwas Stilles, sie sind ein Werk, in das der Hörer hineinhorchen muss", sagte Dirigent Nikolaus Harnoncourt zum Brahmswerk, das heute vor 145 Jahren in Wien uraufgeführt wurde.