Die Wahre Geschichte der Woche: Erich Kästner
Ausgewählt und Kommentiert von Klara Jäger

...als Kind hatte ich ein Lieblingsvideo (von den zweien, die wir hatten)„Pünktchen und Anton“ – den Original Schwarz-Weiß Film aus den 50er Jahren. Später habe ich dann auch das „Doppelte Lottchen“ gesehen – für mich nur komplett mit Erich Kästners Stimme aus dem Off. Erich Kästner - für mich lange Zeit der Inbegriff für ein Stück heile Welt im Kinderzimmer: die Guten gewinnen, die Bösen verlieren.
Bücher und Autor auf der schwarzen Liste
Dabei hat er einige seiner Werke, darunter auch das „Doppelte Lottchen“ in einer Zeit geschrieben, in der genau das Gegenteil der Fall war: während des Nationalsozialismus. So musste Erich Kästner auch das Kriegsende abwarten, um diesen Stoff verfilmen zu können, denn er stand unter Schreibverbot. Alle seine Bücher bis auf Emil und die Detektive standen auf der schwarzen Liste, und fielen der Bücherverbrennung zum Opfer. Schließlich musst er nicht nur um sein Auskommen, sondern auch um sein Leben bangen. Ihm wurde zugetragen, die Nazi-Schergen planten eine „Nacht der langen Messer“ und auch er stände auf der Liste.Eine filmreife List
Als er seinem Freund Eberhard davon erzählt, weiß dieser Rat und Erich Kästner wird durch eine Aktion gerettet, die eigentlich der perfekte Stoff für einen Film wäre. Denn Eberhard Schmidt ist Filmproduzent und plant angeblich Dreharbeiten in Tirol. Eigentlich gibt es weder Geld noch Filmmaterial dafür, doch Schmidt argumentiert dem Propagandaministerium gegenüber, das Projekt sei für den „kurz bevorstehenden deutschen Sieg“ gedacht, schließlich brauche man danach neue deutsche Filme. Nachdem die Filmstudios in Berlin nicht sicher seien, solle man besser auf Außenaufnahmen setzen. Die Strategie hat Erfolg: Eberhard Schmid reist im Frühjahr 1945 mit einer 60-köpfigen Filmcrew für die Dreharbeiten nach Mayrhofen in Tirol und entgeht der brennenden Hauptstadt. Mit dabei – als angeblicher Drehbuchautor: Erich Kästner. Eigentlich darf er offizell Berlin nicht verlassen, doch Schmidt trägt den Namen seines Freundes einfach in eine blanko unterschriebene Ausreisegenehmigung eines Staatsrates ein. So entkommt der Schriftsteller den Schergen.Dreharbeiten mit Happy End
Doch obwohl der Regisseur eifrig Anweisungen gibt, die Schauspieler sich die Seele aus dem Leib spielen und die Kameramänner alles einfangen - der Film „Das verlorene Gesicht“ entsteht nicht. Denn die Kameras sind leer – Filmrollen gab es nicht mehr. Trotzdem ist das Ganze so glaubhaft, dass niemand von der Wehrmacht oder SS aufgegriffen wird: die Crew weilt bis Kriegsende in Tirol und kehrt erst danach nach Berlin zurück. Mit ihnen auch Erich Kästner.Wie schön, dass es auch manchmal im echten Leben gilt: die Guten gewinnen, die Bösen verlieren.
Klara Jäger
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