Rechtsanwälte: Boom der Spezialisten
von Peter M. aus Düsseldorf

Ganz langfristig aber ist das eine eher bescheidene Bremsung, denn in der Nachkriegszeit gab es, gemessen an der Bevölkerung, immer mehr Anwälte. Erst ganz zuletzt flacht der Zuwachs wie beschrieben ab.
Dass die zugelassenen Anwälte dabei eine Sonderkonjunktur hatten, zeigt zum Beispiel auch die folgende Grafik, die ihre Zahl mal in Beziehung zu den Staatsanwälten setzt. Entweder hat die Staatskasse hier extrem geknausert oder der Aufbau der Rechtsanwälte fand eher in den beratenden Bereichen statt. Dazu gleich mehr beim Zuwachs der Fachanwälte. Allerdings bin ich kein Jurist und schon gar nicht im praktischen Juristendasein zuhause. Daher: wenn es andere Erklärungen gibt, her damit!
Während die Gesamtzahl der Anwälte sich nicht mehr so stark erhöht wie in der Vergangenheit, geht es bei den Fachanwälten noch sehr dynamisch aufwärts. Stieg die Menge der „normalen“ Anwälte im Zehnjahresvergleich um 19 Prozent, waren es bei ihren spezialisierten Kollegen 93 Prozent. Scheint anzudeuten, dass der Feld-Wald-und-Wiesen-Anwalt a la „Liebling Kreuzberg“ eher auf dem Rückzug ist.
Ich habe Ihnen zunächst mal die Fachanwälte der verschiedenen Arbeitsbereich nach Köpfen gereiht, damit Sie einen Eindruck gewinnen, über wen wir da überhaupt reden. Mit weitem Abstand an der Spitze: Arbeits- und Familienrechtler. Das überrascht nicht sonderlich.
Und nun folgt die gleiche Spartenaufteilung nach den höchsten Zuwachsraten im letzten Jahrzehnt gereiht.
Zunächst mal sehen Sie an der roten Linie für alle Anwälte, dass die Spezialisten teils weit höhere Zuwachsraten vorlegen konnten. An der Spitze marschieren bei den von mir beobachteten Fachbereichen die Medizinrechtler, gefolgt von den spezialisierten Anwälten für Miet- und Wohnungsrecht.
Aus Partygesprächen mit Medizinern weiß ich anekdotisch, dass die Zahl der juristisch aufgebrachten Patienten zunehmen soll. Wohl ein Henne-Ei-Problem, ob es nun mehr Medizinrechtler gibt, weil mehr vermeintlich fehlbehandelte Menschen klagen wollen oder mehr zu Klagerei animiert werden, weil es mehr Anwälte dieser Art gibt. Auf jeden Fall scheint da ein weiterer Berufsstand unter juristisches Feuer zu geraten. Herzliches Beileid meine Damen und Herren Ärzte. Aber beruhigt Euch, am Ende regeln die Juristen sowieso alles. Die Klagefreudigkeit im Mietbereich ist bekannt und berüchtigt. Da wundert mich der Zuwachs nicht.
Nach einschlägigen Erfahrungen der Vergangenheit hier ein Risiko- und Warnhinweis, schließlich haben wir es mit Rechtsgelehrten zu tun: eine vernünftige juristische Betreuung sollte man nicht verachten und es gibt sehr kompetente und sympathische Juristen, wie ich selbst immer wieder erleben darf. Allein in diesem Mailverteiler sind gefühlt zwei, drei Dutzend enthalten.
Mich irritiert nur der ständig ausgeweitete Vorstoß juristischer Gedankengänge in den letzten Lebenswinkel. Denn am Ende müssen irgendwelche Leute noch was machen und dürften sich dabei nicht permanent Rechtshändeln ausgesetzt sehen. Und es gilt: auch der klügste Jurist muss mal zum Facharzt und ist dann froh, wenn der außer Warnhinweise zu geben und Formulare unterschreiben zu lassen auch medizinisch tätig wird.
Zum Schluss noch eine Beruhigung für alle, die nach dem Einstieg dieser Mail fürchteten, die Juristen könnten in Zukunft knapp werden. Zumindest bis zum Wintersemester 2016/17 – neuere Daten liegen noch nicht vor – bereitete sich mit 103.652 deutschen Jura-Studenten eine Rekordzahl auf ihren Eintritt ins quirlige Juristenleben vor. Deutlich über der Quote (rote gepunktete Linie) dabei der Anteil der Jura-Studentinnen (rote Linie). Meine Güte, was fielen mir dazu für Macho-Sprüche ein, aber diese Zeiten sind ja leider vorbei. Ich lese schließlich gerade das Buch „Wir Weicheier“.
(Quelle: Studierende: Deutschland, Semester, Nationalität, Geschlecht, Studienfach, destatis, https://www-genesis.destatis.de/genesis/online;jsessionid=F7BF959B5F20434FAA9CFDFB0EC53419.tomcat_GO_1_3?operation=previous&levelindex=2&levelid=1514784233016&step=2 )
Für juristischen Nachschub ist demnach gesorgt. Wenn die mal nicht alle ins Medizinrecht wollen.
Von Peter M. aus Düsseldorf