Schmidts Streamingtipps KW 05
von Film-Experte Florian Schmidt

Dutzende von Filmdrehs mussten in den letzten Monaten Pandemie-bedingt abgesagt werden. Auch die 2. Staffel der High-School-Serie „Euphoria“ konnte nicht gedreht werden. In diesem Fall aber wurde aus der Not eine Tugend. Herausgekommen ist ausnahmsweise mal ein erfreulicher Nebeneffekt der Pandemie. Denn Regisseur Sam Levinson hat mit seinem „Euphoria“-Star Zendaya und John David Washington, dem Sohn von Denzel und gerade erst mit „Tenet“ weltweit erfolgreich gewesen, ein ungewöhnliches Beziehungsdrama gedreht.
„Malcolm & Marie“ ist ein bravouröses Kräftemessen zweier großartiger Darsteller, ein Ehekrieg in stylischer Kulisse - ein luftig-lichtes, gläsernes Architektur-Schmuckstück in Kalifornien – in stilvollem Schwarz-Weiß gedreht und voller intensiver Dialoge zwischen Liebe und Hass. Der Film, der bei Netflix zu sehen ist, erinnert an andere Ehedramen wie „Marriage Story“ oder „Wer hat Angst vor Virginia Woolfe“, nur dass hier noch mehr dazukommt. Es geht um Kunst und um Kino, um Hautfarbe und Rassismus und natürlich um Malcolm und Marie. Regisseur Levinson verarbeitet damit übrigens die Nacht, in der sein Film „Assassination Nation“ Premiere feierte – und er bei seiner großen Ansprache vergaß, seiner Frau Ashley zu danken.
Inspiration durch Zeitungsartikel
Der belgische Regisseur Lukas Dhont las in der Zeitung von einem Mädchen, das in einem Jungenkörper geboren wurde, und Ballerina werden wollte. Aus dieser wahren Geschichte hat er den Film „Girl“ gemacht, der bis heute über 30 Auszeichnungen gewonnen hat. Zu Recht, denn diese berührende Coming-of-Age-Geschichte erzählt nicht nur vom Erwachsenwerden, sondern vor allem von den Schwierigkeiten einer Geschlechtsumwandlung und vom Leistungsdruck an der Ballett-Akademie.Der Film „Girl“ mit dem sensationellen Victor Polster in der Hauptrolle, der aus über 500 Bewerberinnen ausgewählt wurde und der nicht nur ein brillanter Balletttänzer ist, sondern auch so natürlich und mitreißend spielt, dass wir mit Sicherheit noch oft von ihm hören werden. Der Film ist bis zum 9. Februar in der ARTE Mediathek abrufbar.
Neue Serie von Kultautor
Für die Serie „State of the Union“ ist Kultautor Nick Hornby verantwortlich. Er hat sich diese Beziehungskomödie ausgedacht und auch geschrieben. Zur Vorbereitung auf die Paartherapie sprechen Rosamund Pike und Chris O'Dowd über ihre verhängnisvolle Flaute im Bett, alltägliche Streitthemen und die ungelöste Frage, was Liebe am Laufen hält.Hornbys zugrunde liegendes Dialogstück ist unter dem Titel "Keiner hat gesagt, dass du ausziehen sollst: Eine Ehe in zehn Sitzungen" erschienen. Und so gibt es nun also auch zehn Teile, allerdings nur zehn Minuten lang. Ein sehr ungewöhnliches Serienformat, das man sich am besten einfach am Stück anschaut. „State of the Union“, inszeniert von Stephen Frears, ist in der ARD-Mediathek zu sehen.
„Ziemlich beste Freunde“-Macher mit neuer Serie
„In Therapie“ heißt eine ARTE-Serie, die im Paris im Herbst des Jahres 2015 angesiedelt ist, einen Tag nach den Pariser Terroranschlägen. In seiner Praxis empfängt ein Psychotherapeut jede Woche fünf Patienten. Verantwortlich für diesen Blick auf die Wunden und Widersprüche einer unter Schock stehenden Gesellschaft sind die beiden „Ziemlich beste Freunde“-Regisseure Eric Toledano und Olivier Nakache. Eindringliche Dialoge, großartig gespielt. 35 Folgen a 30 Minuten von „In Therapie“ sind jetzt abrufbar in der ARTE Mediathek.Interessante und faszinierende Sound-Doku
Auf den richtigen Ton kommt es an! Das wissen wir natürlich aus unzähligen Kino – und auch Heimkino-Erfahrungen. Das führt uns nun aber nochmal sehr eindrucksvoll die Doku „Making Waves: The Art of Cinematic Sound“ vor Augen oder besser: vor Ohren. Wie wichtig die Sound-Effekte bei einem Film sind, erzählen uns Regiegrößen wie George Lucas, Ang Lee, Sofia Coppola und Steven Spielberg.Zu Wort kommen in der 1 ½-stündigen Doku natürlich auch die in Hollywood führenden Akteure des Sounddesigns, darunter mehrfache Oscar-Preisträger. „Making Waves: The Art of Cinematic Sound“ ist bis Mitte März in der ARTE Mediathek zu sehen.
Afrodeutsches Famliendrama
Ezequiel braucht einen neuen Job. Mit 45. Das ist ja für einen weißen Mann in Berlin schon schwer genug. Aber Ezequiel, gespielt von Tyron Ricketts, ist schwarz, Afrobrasilianer, und steckt in einer veritablen Midlife-Krise. Er hat Probleme mit seiner Frau und seinem Sohn und ist arbeitslos. Bis er einen Fahrer-Job beginnt, nachts, beim Denkmalschutz, so lautete die Anzeige. Bald stellt er fest, dass die Stellenbeschreibung ein wenig beschönigend war: Die zwei Kollegen, die er durch das nächtliche Berlin fährt, putzen - Ezequiel hilft ihnen später - die historischen öffentlichen Toiletten. Bei diesen nächtlichen Fahrten lernt er, natürlich, die ein oder andere Lektion für‘s Leben.„Herren“ heißt dieses ausgesprochen entspannt inszenierte Drama, dessen Hauptdarsteller alle schwarz sind. Neben den sehr erfrischenden Darstellern ist vor allem das klischeefreie und lockere Drehbuch von Stefanie Kremser zu erwähnen und die angenehm zurückhaltende Inszenierung von Regisseur Dirk Kummer, dem wir auch die lakonische RBB-Serie „Warten auf’n Bus“ zu verdanken haben. „Herren“ - ein Film über Alltagsrassismus, Familienstreitigkeiten und Jobsuche mit Mitte 40. Jetzt in der ARD Mediathek zu sehen.
Mehr zu aktuellen Kinostarts, Streamingmöglichkeiten und Heimkino-Erscheinungen hören Sie wieder nächste Woche Donnerstag ab 18 Uhr in unserer "Cinemashow" oder zum Nachhören in unserer Mediathek.
(F.Schmidt)