Schmidts Streamingtipps KW 47
von Film-Experte Florian Schmidt

Heute werfen wir einen Blick zurück ins Wien so um das Jahr 1900 und einen Blick voraus ins Jahr 2034: die Folgen der Klimakatastrophe sind dramatisch, im ARD-Film „Ökozid“, denn Dürre und Hochwasser drohen die Lebensgrundlage von Millionen Menschen zu vernichten und Deutschland sitzt im Jahr 2034 in Andres Veiels Justiz-Drama auf der Anklagebank.
In „Ökozid“ werden die Verantwortlichen für die ökologischen Verheerungen der Zukunft in unserer Gegenwart gesucht, denn Veiel zeigt in seinem Film, dass die deutsche Politik in Brüssel Klimaschutz in den letzten 20 Jahren wirksam sabotiert hat. Sein Klimakatastrophen-Drama mit Edgar Selge und Ulrich Tukur, Friederike Becht und Nina Kunzendorf besticht zwar durch eine hohe Faktendichte; in den Szenen aber, in denen die Protagonisten viel Zahlenmaterial in ihre Monologe integrieren müssen, beschleicht einen allerdings das Gefühl, dass der Film zwar sehr gut gemeint, aber manchmal dann leider nicht ganz so gut gemacht ist.
Krimiserie für alle Fans von "Freud" und "Sherlock"
Bei den Kollegen vom ZDF ist eine neue Krimiserie zu sehen, namens „Vienna Blood“, die allen Fans von „Freud“ und „Sherlock“ gefallen dürfte. Denn so wie bei „Freud“ ist das Wien der 1900er Jahre Schauplatz der insgesamt drei Teile, die alle eine Spielfilmlänge von 90 Minuten haben. Und die Drehbücher stammen von Steve Thompson, der auch für mehrere „Sherlock“-Folgen die Skripte schrieb.Freudianer Dr. Max Liebermann und Inspektor Oskar Rheinhardt versuchen gemeinsam mehrere mysteriöse Mordfälle zu lösen. Der Brite Matthew Beard und der Österreicher Jürgen Maurer spielen die Hauptrollen – und auch wenn „Vienna Blood“ nicht ganz an „Sherlock“ herankommt, kann man von dieser Krimikost durchaus mal probieren.
Südafrikanische Filmperle nur am Sonntag zu sehen
Auch in dieser Woche findet wieder ein Filmfestival ausschließlich online statt: das Festival Afrikamera – und da gibt es einen südafrikanischen Film zu sehen, den ich auch noch nicht kenne, aber der wirklich ganz großartig sein muss. Ich hab mir den Trailer angesehen und ein kurzes Behind-The-Scenes-Feature und hatte schon in diesen wenigen Minuten Gänsehaut. Es geht um den Film POPPIE NONGENA, der in Südafrika alle wichtigen Filmpreise abgeräumt hat. Es ist die Verfilmung eines der wichtigsten und erfolgreichsten südafrikanischen Bücher der letzten Jahre, ein auf einer wahren Begebenheit beruhender Lebensbericht von Poppie Nongena.Der Film ist im Kapstadt zur Zeit der Apartheid, Mitte der 70er-Jahre, angesiedelt. Poppie Nongena arbeitet als Haushälterin für eine reiche weiße Familie. Als ihr Mann seinen Job verliert, greift ein Apartheidgesetz zur Ausgrenzung der schwarzen Mehrheitsbevölkerung: Poppie gilt nun als Illegale in ihrem eigenen Land und soll mit ihren Kindern in das Homeland ihres Mannes im Norden Südafrikas zwangsumgesiedelt werden…
In der Hauptrolle eine Schauspielerin, von der ich noch nie gehört habe: Clementine Zitha, die mich aber schon im Trailer zu Tränen gerührt hat und über die ein Schauspielkollege von ihr schwärmt, sie sei ein Geschenk Gottes und etwas ganz Besonderes. „Poppie Nongena“ ist ab Sonntag (22.11.) abrufbar und auch nur bis Sonntagabend um 23.59 Uhr, danach steht er 24 Stunden lang zur Verfügung. Ein kurzes Zeitfenster, das man aber unbedingt ausnutzen sollte!
ARTE zeigt zwei großartige deutsche Spielfilme
Natürlich lohnt sich auch in dieser Woche ein Blick in die ARTE Mediathek – vor allem, weil es dort aktuell sehr empfehlenswerte deutsche Spielfilme gibt. Zum Beispiel „Der Staat gegen Fritz Bauer“, den Sie bis kommenden Montag, also bis zum 23.11., sehen können. Ein wunderbarer Film, der diesem vergessenen Helden ein würdiges Denkmal setzt. Denn Bauer war einer derjenigen, die die Verfolgung führender NS-Offiziere maßgeblich vorantrieben, als Generalstaatsanwalt in Hessen. Er machte es sich zur Lebensaufgabe, untergetauchte frühere Vertraute Hitlers aufzuspüren und ihnen den Prozess zu machen.Ein wirklich spannender Streifen mit einem der größten deutschen Schauspieler unserer Zeit, Burkhart Klaußner, in der Titelrolle, für die er den Bayerischen Filmpreis bekommen hat. Aber auch die anderen Rollen in diesem aufwühlenden Politdrama sind großartig besetzt: der immer starke Ronald Zehrfeld spielt den jungen Staatsanwalt, der Bauer unterstützt; Sebastian Blomberg und Jörg Schüttauf sind ebenfalls mit dabei.
Etwas mehr Zeit zum Gucken haben Sie für Thomas Stubers Film „In den Gängen“, den können Sie in der ARTE-Mediathek noch bis zum 10. Februar sehen. Sandra Hüller und Franz Rogowski spielen die Hauptrollen.
Film Noir-Klassiker bei YouTube
Und ebenfalls ohne Zeitdruck lässt sich bei YouTube der Film Noir "The Hitch-Hiker" von 1953 anschauen, gedreht von Ida Lupino, eine der ersten Filmemmacherinnen in Hollywood. Sie war die zweite Frau, die in der Directors Guild of America aufgenommen wurde – und sie ist insofern ihrer Zeit auch noch voraus gewesen als sie eine eigene Produktionsfirma hatte und die für ihre eigenen Independent-Filmprojekte nutze. Ihr berühmtester Film ist eben THE HITCH-HIKER.Der Film basiert auf der wahren Geschichte von Billy Cook, einem psychopathischen Mörder, der als Anhalter durch Amerika fuhr. 1998 wurde der Film als "kulturell, historisch oder ästhetisch bedeutsam" für die Aufbewahrung im Nationalen Filmregister der Vereinigten Staaten ausgewählt.
Skateboard-Poesie vom Feinsten
Als etwas abseitige Empfehlung sei noch dieser unfassbar geniale Skater-Kurzfilm genannt, den ich gerade wiederentdeckt habe. Man sieht darin den spanischen Skateboarder Kilian Martin und kommt aus dem Staunen nicht mehr raus. Denn er fährt so lässig und elegant, dreht mit seinem Board Pirouetten wie ein Eiskunstläuferm geht in den Handstand und fährt auf zwei Boards, dass man mit einem Dauergrinsen vor dem Bildschirm sitzen muss. Zumindest mit geht es immer wieder so.Zwei Tage lang drehte Regisseur Brett Novak mit Kilian Martin in einem verlassenen Vergnügungspark in der Mojave-Wüste in Kalifornien. Es sieht also alles auch noch extrem gut aus.
Mehr zu aktuellen Kinostarts, Streamingmöglichkeiten und Heimkino-Erscheinungen hören Sie wieder nächste Woche Donnerstag ab 18 Uhr in unserer "Cinemashow" oder zum Nachhören in unserer Mediathek.
(F.Schmidt)