Sittenwidrig: Kaiser Wilhelm II. gegen den „widerwärtigen“ Tango

Tango im Vormarsch
Anfang des 20. Jahrhunderts macht der Tango die Runde in Europa. So wird etwa von einem Attentat im Vatikan geschrieben, als der berühmte argentinische Tangotänzer Casimiro Aín mit seiner Sekretärin in Rom vor Papst Pius X. tanzt.In Paris und London, und auch in Deutschland wird in den Berliner Tanzpalästen der Tango gefeiert, und unter dieses Volk mischt sich gerne auch der preußische Kronprinz.
Zum Tanz kreiert Modeschöpfer Paul Poiret eine eigene Linie, hoch geschlitzte schmale Chiffonröcke, taillierte Überkleider, die zudem auch noch ärmellos sind.
Tango – ich berühre
Aus dem Lateinischen übersetzt bedeutet das Wort Tango „ich berühre“. Wenig ergriffen jedoch von den sinnlichen Berührungen und engen Körperkontakt des Tangos ist Kaiser Wilhelm II.Der streng gläubige Kaiser und seine Frau Auguste Victoria bevorzugten andere Musik. Den Tanz, der ursprünglich aus den Hafenkneipen Buenos Aires‘ kam und vom Leben und Leid der vergessenen unteren Gesellschaftsschichten erzählt, bezeichnet Kaiser Wilhelm II. als „Rinnsteinkind“. Er soll sogar gesagt haben, es würde ihn nicht wundern, wenn die Tanzenden zwischendurch wie Affen auf Bäume kletterten und die Zuschauer mit Kokosnüssen bewerfen würden.
Preußische Staatskultur gefährdet
Den Tango empfindet Kaiser Wilhelm II. nicht nur als Sittenverfall, sondern auch als Gefahr für die preußische Staatskultur. Das Tangofieber erreicht nämlich auch den preußischen Landtag, als Gräfin Schwerin-Löwitz, die Frau des Landtagspräsidenten, auf einen Tango-Tee einlädt, und plötzlich hohe Militärs, Amtsträger und Diplomaten sich auf der Tanzfläche eng an ihren Tänzerinnen reiben.Tangoverbot
Nachdem also auch der preußische Landtag der argentinischen Sünde verfallen war, greift Kaiser Wilhelm II. durch, um zumindest die Soldaten vor dem Sittenverfall zu bewahren. Am 20. November 1913 lässt er offiziell Offizieren verbieten, Tango zu tanzen..„Wir verpflichten hiermit durch die Hofansage die gesamten Hofstaaten, Chargen und Rekrutierten, sich sowohl in der Öffentlichkeit als auch im Privaten eines ausgesprochen widerwärtigen Tanzes zu enthalten. Auch die Mitglieder der allerhöchsten Familie sind bei Ordre gehalten, sich dieser fremdländischen Unsitte zu entziehen.“
Als der Erste Weltkrieg wenige Monate später ausbricht, geht Kaiser Wilhelm II. ins Exil, der Tango aber bleibt.