Es ist die bewegende Geschichte eines Instruments, das unter den grausamsten Bedingungen entstand – und doch ein Symbol für Hoffnung und Menschlichkeit wurde. Die „Geige der Hoffnung“, gebaut von einem Häftling im Jahr 1941, ist ein Zeugnis dafür, dass selbst im Dunkel der Geschichte ein Funke Leben aufglimmen kann. Jahrzehntelang vergessen, wurde sie zufällig wiederentdeckt – und gibt heute ihrer Botschaft eine Stimme.
Es gibt Geschichten, die so unwahrscheinlich klingen, dass es kaum vorstellbar ist, sie könnten wahr sein – Geschichten, die uns genau deshalb in Erinnerung bleiben, weil sie von Menschlichkeit erzählen, dort, wo sie am unmenschlichsten bedroht war. Eine solche Geschichte ist die der „Geige der Hoffnung“ – eines einzigartigen Musikinstruments, das 1941 unter den barbarischen Bedingungen des Konzentrationslagers Dachau gefertigt wurde und erst Jahrzehnte später in einem beschaulichen Ort nahe dem Balaton wiederentdeckt wurde.
Die bewegende Entdeckung nahm ihren Anfang im Zuge eines unscheinbaren Möbelkaufs. Die ungarische Galeristin Szandra Katona und ihr Ehemann Tamás Tálosi erwarben vor rund zehn Jahren eine Sammlung antiker Stücke von einer älteren Dame. Als Zugabe – fast schon aufgedrängt – bekamen sie eine abgenutzte, unscheinbare Geige. Kaum beachtet, verschwand sie in der Schublade einer Biedermeierkommode – bis das Möbelstück im Jahr 2020 restauriert werden sollte.
Ein befreundeter Musiker, dem die Geige kurz darauf überlassen wurde, erkannte sofort den besonderen Klang: warm, tragend – beinahe zu gut für ein so unansehnliches Instrument. Doch bemerkte er auch etwas Ungewöhnliches: ein leises Rascheln im Innern. Ein erfahrener Geigenbauer sollte es genauer untersuchen.
Was der ungarische Luthier Tamás Szabó bei der Zerlegung des Instruments entdeckte, lässt bis heute erschaudern. Auf einem verborgenen Zettel im Korpus stand in feiner Handschrift: „Gebaut von Franz Kempa 1941 im K.L. Dachau“. Zudem klebte dort eine Notiz in schlesischem Dialekt – eine Entschuldigung des Geigenbauers für das minderwertige Material: gefertigt unter unmenschlichen Bedingungen, ohne Werkzeug, im Konzentrationslager Dachau.
Der Mann hinter dieser Geige, Franz (Franciszek) Kempa, war ein polnischer Geigenbauer, geboren 1900 in Dąbrówka Kościelna. Er hatte sein Handwerk in Berlin erlernt und vor dem Krieg in Lubin gearbeitet. Während der Nazi-Diktatur wurde er verhaftet, nach Sachsenhausen und später nach Dachau deportiert. Doch seine Fähigkeit, ein Instrument zu bauen, könnte ihm das Leben gerettet haben. Möglicherweise wurde er von einem musikliebenden SS-Offizier beauftragt, die Geige in der Werkstatt des Lagers zu fertigen – eine grausame Ironie, wenn man bedenkt, dass Musik in vielen Lagern gezielt zur Täuschung und Erniedrigung der Häftlinge eingesetzt wurde.
Und doch war es wohl genau diese Musik, die Kempa einen Halt bot. Ein Ziel. Eine Aufgabe, die ihn durch die Hölle führte. So entstand unter entsetzlichsten Bedingungen ein Meisterwerk – eine Geige, die klingt wie pure Hoffnung. Wie das Instrument aus dem Lager entkam, bleibt unklar. Ob es ein Geschenk war, verkauft wurde oder heimlich über die Jahrzehnte weitergegeben wurde – niemand weiß es. Doch dass es heute existiert, dass es spielt, erzählt und mahnt, ist ein Wunder für sich.
Sie wird heute als „Geige der Hoffnung“ bezeichnet – und trägt diesen Namen zu Recht. Denn in ihr klingen nicht nur Saiten, sondern auch Würde, Überlebenswille und eine stille Botschaft an die Nachwelt. Die Kunstexpertin Katona setzt alles daran, das Instrument nicht einfach zu verkaufen, sondern es in würdige Hände zu geben – idealerweise an ein Museum. „Es geht nicht ums Geld. Es geht darum, dass möglichst viele Menschen diese Geige sehen und verstehen, was sie bedeutet“ (Quelle: Jüdische Allgemeine).
Am 29. April 1945 – vor genau 80 Jahren – wurde das Konzentrationslager Dachau von amerikanischen Truppen befreit. Ausgerechnet dort, wo die Dunkelheit menschlichen Ausdruck und Würde auslöschen sollte, entstand ein Werk von erschütternder Schönheit: eine Geige, gebaut von einem Häftling mit kaum mehr als seinem Willen und seinem Können. Inmitten von Gewalt und Entmenschlichung hielt er an der Kunst fest – als letztem Ort innerer Freiheit. Dieses Instrument ist bis heute ein unvergänglicher Beweis dafür, dass Kreativität selbst in den finstersten Stunden eine zarte Flamme der Hoffnung entfachen kann.