George Gershwin war nicht nur der Komponist von "Rhapsody in Blue" und "Porgy and Bess". Er war ein gesellschaftliches Phänomen: ein Musiker, der zwischen New York und Hollywood pendelte, mit Malern über Formen sprach, mit Schönberg über Kompositionsfragen stritt, mit Duke Ellington rivalisierte – und der in Charlie Chaplins Wohnzimmer ebenso selbstverständlich am Klavier saß wie im Konzertsaal.
George Gershwin war ein Mann, den man selten allein sah. Nicht, weil er ständig im Rampenlicht stand – sondern weil er sich geradezu magnetisch in die Gesellschaft anderer zog. Ein Abend in Beverly Hills konnte so aussehen: Gershwin spielt am Flügel, Charlie Chaplin hört zu, Paulette Goddard lacht, und irgendwo lehnt Arnold Schönberg an der Wand, leicht skeptisch, aber fasziniert. Das klingt wie eine Erfindung, war aber Alltag im Leben eines Mannes, der auf erstaunliche Weise Künstler, Musiker, Schauspieler und sogar Sportler miteinander verband.
Man darf nicht vergessen: Gershwin war ein Kind der New Yorker Straßen. Er hatte den Jazz in Harlem gehört, lange bevor er in der Carnegie Hall einen Platz bekam. Und er blieb stets offen für andere Künste. In der Wohnung des Buchgestalters Merle Armitage vertiefte er sich in Aquarelle von Paul Klee, studierte Linien und Farben, als ließe sich daraus eine Melodie ablesen. Er selbst begann zu malen – nicht besonders gut, aber voller Enthusiasmus.
Die bekannteste Verbindung von Gershwin zu europäischen Avantgardisten bestand in seiner Freundschaft mit Arnold Schönberg. Die beiden spielten regelmäßig Tennis und tauschten sich über Musik und Kunst aus, ohne dass Schönberg Gershwin Unterricht erteilte. Ebenso der Kontakt mit Maurice Ravel: Gershwin bat ihn um Kompositionsunterricht, worauf Ravel geantwortet haben soll: „Warum wollen Sie ein zweiter Ravel sein, wenn Sie ein erster Gershwin sind?“ (Pollack, George Gershwin: His Life and Work, 2006).
Ganz anders war sein Verhältnis zu Duke Ellington. Beide liebten die Musik des jeweils anderen, aber Ellington blickte kritisch auf Gershwins "Porgy and Bess". War das eine echte Hommage an die afroamerikanische Kultur – oder doch kulturelle Aneignung im Opernformat? Gershwin nahm solche Kritik in Kauf. Er wusste, dass sein Werk zwischen den Stühlen saß: zu jazzig für die Klassik, zu klassisch für den Jazz. Aber genau dort, im Dazwischen, fühlte er sich zuhause.
Und dann Hollywood: Gershwin war ein gern gesehener Gast in den Kreisen von Chaplin, Goddard und anderen Filmstars. Es gehörte zu seinem Alltag, dass er nachmittags an einer Oper schrieb und abends bei einer Party am Klavier improvisierte. Er konnte in beiden Welten glänzen, im Konzertsaal wie im Salon.
Vielleicht ist das Gershwins wahres Geheimnis: Er war weniger ein einsamer Komponist im stillen Kämmerlein, sondern ein Netzwerker avant la lettre. Einer, der seine Inspiration nicht aus der Isolation zog, sondern aus Gesprächen, Begegnungen, Freundschaften – und aus der Reibung mit ganz unterschiedlichen Geistern. Dass er mit nur 38 Jahren starb, macht seine Geschichte umso tragischer. Man spürt: Gershwin hatte gerade erst begonnen, all diese Welten – Musik, Film, Kunst – dauerhaft miteinander zu verbinden.
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