An den deutschen Schulen herrscht Fachkräftemangel und besonders der Musikunterricht leidet darunter.
In der Bertelsmann-Studie „Musikunterricht in der Grundschule. Aktuelle Situation und Perspektive“ wurde bereits im Jahr 2020 gezeigt, dass an den deutschen Schulen ein eklatanter Fachkräftemangel im Musikunterricht herrscht. Besonders in Berlin rückt das einstige Lieblingsfach der meisten Schülerinnen und Schüler immer mehr in den Hintergrund. „Zur Behebung des Lehrermangels sollen Schulen eigenständig entscheiden können, ob sie bestimmte Fächer noch anbieten. Da der Mangel an Musiklehrerinnen und -lehrern allerdings sehr groß ist, gibt es die Befürchtung, dass der Musikunterricht als Erstes wegfällt. Das wäre für die musikalische Bildung in Berlin ein Desaster“, erzählt Carl Parma, stellvertretender Bundesvorsitzender des Bundesverbandes Musikunterricht im Gespräch mit Klassik Radio.
Gerade für Schülerinnen und Schüler ist das ein großer Verlust. Das Schulfach Musik vor allem aber auch die damit einhergehenden Projekte wie Chöre oder Schulbands gehören zu den mit wichtigsten Erlebnissen der jungen Menschen: „In dieser Zeit wird besonders die Kreativität geschult und auch das Selbstbewusstsein. Musik auf der Bühne zu präsentiert und die Teamfähigkeit bei den Stücken zu erfahren, gehören zu den schönsten und prägendsten Erfahrungen der Schulzeit. Noch Jahre später schwärmen die Schüler von diesen Erlebnissen. Sinus oder Cosinus haben die meisten schon vergessen.“ Die neue Regelung könnte diesen Erfahrungen jetzt im Weg stehen, erklärt Parma: „Das bedeutet für die Schüler in Berlin, dass sie keinen qualifizierten Unterricht erhalten können, der die Grundlagen für ein Leben mit Musik ist. Kein Chor, kein Orchester, keine Bigband und keine Tanzgruppe und das obwohl Musik die Freizeitbeschäftigung Nummer Eins ist.“
Auch die außerschulischen Musikgruppen leiden untere den Veränderungen. Ohne die Grundlagen des Musikunterrichts kommen weniger Kinder mit Musik in Kontakt. Das ist auch ein Problem im Hinblick auf den dringend benötigten Nachwuchs der verschiedenen Orchester und Ensembles. Dass es in den letzten Jahren überhaupt zu einem derartigen Fachkräftemangel kommt, liegt laut Carl Parma auch an den Ausbildungswegen der Lehrerinnen und Lehrer: „Die Musikhochschulen und Universitäten haben in den letzten Jahren deutlich zu wenig Musiklehrer ausgebildet, vor allem im Grundschulbereich. Dort werden bis zu 75 % des Unterrichtes fachfremd erteilt oder der Unterricht fällt ganz aus. Eine Hürde ist die schwierige Aufnahmeprüfung, außerdem entdecken nicht wenige Musikstudenten während des Studiums ihre künstlerischen Ambitionen und wollen lieber Instrumental- oder Gesangssolisten werden, als in die Schulen zu gehen.“
Eine Schule, wo Musik in jedem Winkel erklingt und selbstverständlicher Teil des Schulalltages ist, wo Lehrer und Schüler mit einander Musik machen und gemeinsam auftreten – oder um es mit Fred Astaire zu sagen: Heaven, I’m in heaven, and I seem to find the happiness I seek…
Carl Parma
Ein möglicher Lösungsansatz auf langfristige Sicht ist deshalb, die Zahl der Musikstudierenden zu erhöhen und den Anwärtern zeigen, wie schön und wertvoll die musikalische Arbeit mit Kindern sein kann. „Kurzfristig müssen wir musikinteressierte Lehrkräfte musikalisch weiterbilden – sie sind ja schon in der Schule und können in einem Jahreskurs fit für den Musikunterricht in der Grundschule gemacht werden. Und als Drittes sollten wir Opernsänger, Jazz- und Rockmusiker oder Orchestermusiker, die sich beruflich anders orientieren wollen, pädagogisch gut nachqualifizieren, sodass sie als Quereinsteiger einen guten Job machen können“, bestärkt Parma.