Jeden Freitag um 09:40 Uhr und 16:10 Uhr kommentiert Klassikexperte Axel Brüggemann das Geschehen aus Klassik und Kultur.
Nicht, dass wir uns missverstehen: Ich bin mit Desiree Nosbusch aufgewachsen; wie sie gemeinsam mit Anke Engelke von der Funkausstellung in Berlin berichtet hat (was war das in den 80er Jahren für ein Ereignis!!!), wie sie „Hits von der Schulbank“ präsentiert hat... ja, bis heute bin ich Fan, auch von ihrer Rolle in der Serie „Bad Banks“.
ABER… ist Desiree Nosbusch nun wirklich Symbol des Aufbruches für die Klassik im Fernsehen? Nun wurde bekannt: der OPUS Klassik (einst ECHO-Klassik) wird Thomas Gottschalk als Moderator absägen (endlich: chauvinistischer gegen Dirigentinnen und uninteressierter an der Klassik kann man eine solche Sendung nicht moderieren).
Ich habe eine Umfrage auf meinem Instagram-Profil gestartet: 18 Prozent finden Nosbusch als Neue „genial“, 82 Prozent sagen „Na ja“.
Seit der ECHO zum OPUS wurde, versprechen die Verantwortlichen, das biedere und langweilige Programm neu zu denken, dem Preis mehr Gewicht zu geben. Aber sie sind jedes Jahr in neue Fettnäpfchen getreten: letztes Jahr nominierten sie zwei Tote als Komponist des Jahres, dieses Jahr stellte sich heraus, das jeder nominiert wird, dessen Plattenfirma eine Anmeldegebühr bezahlt – seriös geht anders!
Und auch den ästhetischen Aufbruch scheint das ZDF zu verpennen. Ohne Frage: Desiree Nosbusch wird die Show souveräner und professioneller moderieren als Gottschalk. Aber ihre Besetzung zeigt eben auch, als was das ZDF die Klassik versteht: als Kunst für ein biederes, traditionelles Publikum, das noch immer die HörZu zu Hause hat. Spannende Gespräche mit Klassik-Künstlern, das Abenteuer der Musik, emotionale Überraschungen, unerwartete TV-Momente – all das dürfen wir wohl auch vom neuen OPUS nicht erwarten: Die Sendung wird auch 2021 wieder eine von der ZDF Klassik-Redaktion geskriptete Show in orangener Langeweile werden.
All das wäre ja auch egal, würde es nicht so viel über die Rolle der Klassik im Öffentlich Rechtlichen Fernsehen sagen: Neben Silvester-, Neujahrskonzert und OPUS Klassik ist die Klassik längst in die Nischen von arte und 3Sat verschoben worden.
Geigerin Julia Fischer hat hier bei Klassik Radio zu Recht gefragt, warum nicht wenigstens die dritten Programme regelmäßig Konzerte mit IHREN Orchestern übertragen – denn dafür sind sie ja da: von der GEZ finanzierte Spitzen-Ensembles, die von den Fernsehanstalten fast vollkommen ignoriert werden!
Klassik im Fernsehen – wir drohen sie vollkommen zu verlieren. Dabei gehört sie nicht nur zum Kulturauftrag, sondern könnte das oft voraussehbare Programm unserer Sender bereichern: durch große Momente, große Gefühle und große Musik. Dafür aber müssten Sender wie das ZDF anfangen, an die Klassik zu glauben – und ihr mehr zutrauen als Desiree Nosbusch.
(09.07.2021/ A. Brüggemann)
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