Applaus klingt in Bars normalerweise anders. Kürzer. Unregelmäßiger. Hier aber wartet man den letzten Ton ab – auch wenn der von einer Geige stammt, nicht von einer Gitarre. Seit über sechs Jahren bringt das Ensemble Kneipen Klassik klassische Musik dorthin, wo man sie nicht erwartet: mitten ins Alltagsleben, zwischen Zapfhahn und Theke.
Kein Verstärker, kein Vorhang, keine Kleiderordnung – nur ein Klassik Ensemble und ein Publikum, das eigentlich nur für ein Bier vorbeischauen wollte. Das Ensemble Kneipen Klassik tritt dort auf, wo sonst Singer-Songwriter stehen: in Kneipen und kleinen Bars. Klassik ohne Frack, aber mit Format. „Es geht uns darum, dass wir die klassische Musik zu den Leuten bringen“, erzählt Geigerin Nora Hoffmann im Interview mit Klassik Radio Redakteurin Valeska Baader. „Es ist ja so, dass klassische Musik häufig in größeren Sälen aufgeführt wird und gerade junge Leute wenig Begeisterung haben, dorthin zu kommen. Das wollen wir ändern und kommen daher zu den Orten, wo die jungen Leute eh sind, und machen dort einfach Musik.“
Seit 2019 bespielt das 15-köpfige Ensemble in wechselnder Besetzung die Tresenlandschaft in und um Kiel. Was damals als Teil des Projekts „Beethoven bei uns“ begann, ist heute Kult: Mal zu zweit, mal als Quartett treten die Musiker zwei bis drei Mal jährlich auf.
Die Reaktionen? Überraschung, Staunen, Begeisterung. „Das Publikum kennt das natürlich nicht. Keine Gitarre, kein Sänger wie sonst üblich – und dann kommen wir da mit Geige und Fagott an.“ Aber die Gäste bleiben da und geben der Klassik eine Chance – mit Erfolg: Denn viele sind so begeistert, dass sie immer wieder kommen, wie Hoffmann erzählt.
Kneipen Klassik ist weit mehr als ein netter Abend. Es ist ein musikalisches Experiment mit Bildungsauftrag – und einer Portion Humor: „Wir hatten jetzt beim letzten Konzert ein sogenanntes Klassik Mash-up. Das haben wir verbunden mit einem Quiz. Die Gäste konnten beim Stück mithören und Klassik Bingo spielen.“
Auf Bach folgt also Bingo, auf Brahms ein Bier. Gespielt wird dabei, was gefällt – aber nicht beliebig. „Die erste Hälfte ist meistens klassisch, zum Beispiel mit Bach, Bériot oder Bizet. In der zweiten Hälfte gehen wir dann in die Crossover-Richtung: Irische Stücke, Tangos, ABBA – da ist für jeden was dabei.“ Die größte Motivation bleibt dabei das Publikum: „Das sind Momente, wo wir auch merken, wie viel uns klassische Musik bedeutet – und wie viel wir auch dazu beitragen können, dass andere Menschen die Musik, die so schön ist, auch erleben dürfen.“
Zukünftig möchte das Ensemble noch weitere ungewöhnliche Orte bespielen: „Was wir uns vorstellen könnten, mal in einem Club zu spielen. Vielleicht könnte man das auch mit einem DJ verbinden, der dann noch auflegt. Aber wir bleiben erst einmal bei Bars und Kneipen – das bringt uns wirklich viel Spaß.“
Wer noch nicht genug von beschwingten Rhythmen und guter Stimmung hat, zapft am besten mal rein bei „Gute Laune Klassik“ auf Klassik Radio Select – der perfekte Soundtrack für die charmanteste Hauskneipe der Welt: das eigene Wohnzimmer.