Eine Oper bestehend aus Improvisation: Nur 48 Stunden vor Beginn der Vorstellung musste alles umgeplant und umbesetzt werden.
In den Zeiten einer Pandemie ist alles anders, auch oder gerade vor allem in unseren Kulturstätten. Die Staatsoper Unter den Linden in Berlin hat ebenfalls mit den neuen Auflagen und Ausfällen der Musikerinnen und Musikern zu kämpfen. „Nachdem es nach wie vor unser Ziel ist, jeden Abend für unser Publikum zu spielen und jede Vorstellung zu ermöglichen, kann man sich in der derzeitigen Lage vorstellen, dass das mit großen Herausforderungen einhergeht“, erzählt Operndirektor Tobias Hasan im Gespräch mit Klassik Radio.
Doch an einem Abend im Januar sollte alles anders sein. Es handelte sich um eine Vorstellung der Oper "Ariadne auf Naxos" von Richard Strauss. Von 1365 Plätzen waren 353 besetzt und diese Besucher sollten eine ganz besondere Vorstellung bekommen. „Es gab im Ensemble positive Fälle, es gab positive Fälle bevor die Künstler überhaupt nach Berlin reisen konnten und wie jedes Jahr in dieser Jahreszeit gab es auch noch die ganz normalen Erkältungsfälle. Das hat dazu geführt, dass wir innerhalb von 48 Stunden sechs Sänger und einen Dirigenten umbesetzten mussten und das war sehr herausfordernd“, beschreibt Hasan die Situation. Neben einem Sänger, der einfach mal mehrere Rollen auf einmal übernahm, gab es auch noch Max Urlacher, der spontan sein Rollendebüt als Haushofmeisters gab. Auch die restlichen Rollen wurden umhergereicht und getauscht, um dem Publikum das bestmögliche Opernerlebnis zu ermöglichen.
Trotz dieser kurzfristigen Umplanung blieb das ganze Opernteam ruhig: „Es war weniger eine Aufregung als eine Herausforderung und positive Anspannung.“ Doch als Tobias Hasan auf die Bühne trat um dem Publikum die umfangreichen Änderungen mitzuteilen, war er doch aufgeregt: Wie würde das häufig kritische Opernpublikum reagieren? "Ich muss zugeben, dass schon eine Unsicherheit da war. Ich war mir nicht sicher, wird mir Unmut oder Verständnis entgegenkommen“, erzählt der Operndirektor, „Spätestens nach den ersten zwei Namen wuchs die Begeisterung im Orchestergraben und im Publikum. Wir waren alle nervös und positiv gespannt, was jetzt auf uns zukommt.“
Und tatsächlich, Aufregung war nicht notwendig. Die Vorstellung wurde zum vollen Erfolg. Das Publikum war hellauf begeistert und verzieh der ungeübten Neubesetzung gerne kleine Patzer: „Schon auf dem Weg von der Bühne zu meinem Platz im Publikumsraum wurde ich unterwegs von Bühnenarbeitern abgeklatscht. Nach der Vorstellung war meine Mailbox voll. Es war eine überdurchschnittlich gute Resonanz (…) Die Reaktion des Publikums war überbordend. Es war nicht viel Publikum da, aber die Menschen, die da waren, haben eine Stimmung gemacht, als ob das Haus randvoll wäre.“
Spontan und ganz anders als ursprünglich geplant: eine wirkliche Improvisations-Oper. Neben der Expertise seines Teams hat aber vor allem eines dazu geführt, dass die Vorstellung so erfolgreich war: „Oper ist ohnehin immer Improvisation.“