Kann der Roboter den Dirigenten ersetzen?

Interview mit den Dresdner SinfonikernKann der Roboter den Dirigenten ersetzen?

Zu ihrem 25-jährigen Jubiläum werden die Dresdner Sinfoniker erstmals von einem Roboter dirigiert. Sinfoniker-Intendant Markus Rindt spricht im Interview von den Möglichkeiten, den Herausforderungen und den Grenzen moderner Technik.

Kann der Roboter den Dirigenten ersetzen? Foto: David Sünderhauf

Klassik Radio: Ab Oktober startet in Dresden das Projekt „Robotersinfonie“: Wenn es bereits möglich ist, den Dirigenten durch Technik zu ersetzen, warum führe ich das Interview dann heute nicht direkt mit dem Roboter? 

Markus Rindt: Bei unserem Projekt „Robotersinfonie“ haben wir es nicht mit einer KI zu tun. Das ist eigentlich ein relativ „dummer“ Roboter, denn er macht nur genau das nach, was wir ihm zeigen. Er würde also niemals die eigenen Ohren spitzen und hören, was das Orchester spielt, geschweige denn sprechen.  

Klassik Radio: Aber wenn der Roboter gar keine KI eingebaut hat, wie lernt er dann das Dirigieren?  

Markus Rindt: Wir müssen dem Roboter alle Stücke vorher beibringen. Dafür gibt es an jedem seiner drei Arme einen richtigen Handgriff. Dort kann man den Roboter packen und dann quasi mit ihm gemeinsam alle Bewegungsabläufe passend zur Musik einstudieren: also sowohl kleinere und größere Bewegungen als auch verschiedene Tempi. Das Dirigat muss dann nur noch abgespielt werden, als wäre es eine Aufnahme. Für die Musiker liegt die Herausforderung dabei darin, genau auf den Roboter zu reagieren und auf ihn zu schauen – denn dieser macht einfach stur nur das, was man ihm vorher gezeigt hat, und reagiert nicht auf das Orchester.  

Klassik Radio: Wie funktioniert dann überhaupt die Probenarbeit, wenn der Roboter gar nicht auf das Orchester reagieren kann? 

Markus Rindt: Der Roboter führt niemals allein die Probe durch – da sind immer Menschen, die ihn steuern müssen und dementsprechend auch die Probe leiten. Die entscheiden dann zum Beispiel: „Wir möchten jetzt noch mal den Abschnitt C bis D wiederholen.“ Daraufhin wird der Roboter ausgeschaltet und die entsprechende Stelle wird auf dem Computer rausgesucht. Auf dem Bildschirm können wir die Partitur sehen und wenn wir dort eine bestimmte Stelle anklicken, weiß der Roboter auch wieder, dass er die Bewegungsaufnahme von neuem abfährt. Es braucht also immer einen Menschen, der den Roboter immer ein- und ausschaltet!  

Foto: David Sünderhauf

Klassik Radio: Das heißt, mit dem Projekt soll der Mensch als Dirigent auch nicht vollständig ersetzt werden? 

Markus Rindt: Der Mensch ist wahnsinnig wichtig bei diesem Projekt! Wir wollen ja gar nicht den normalen Dirigenten durch Maschinen ersetzen. Wir wollen eigentlich nur eine Erweiterung der Möglichkeiten erreichen und deswegen haben wir auch nicht nur einen Roboterarm, sondern drei. Man muss sich nur mal diese Situation vorstellen: Man möchte mit beiden Armen ein bestimmtes Tempo dirigieren. Der eine Arm soll aber schneller werden und der andere Arm langsamer. Das geht eigentlich nicht. Und genau hier liegen die Vorteile, die wir mit unserem Projekt austesten. Was kann man denn eigentlich für Musik komponieren, wenn man nicht auf ein gemeinsames Tempo angewiesen ist? Hier werden vollkommen neue, spannende Möglichkeiten geschaffen. 

Klassik Radio: Welches Programm dürfen wir genau erwarten und hatte der Roboter bei den Kompositionen auch seine Finger im Spiel? 

Markus Rindt: Michael Helmrath, der Gründungsdirigent der Dresdner Symphoniker, wird die erste Hälfte des Konzerts ganz analog dirigieren. Erst in der Pause wird er den Roboter vorstellen und dann quasi den Taktstock an die Technik, an die Maschine übergeben. Die Musik, die wir dann spielen, ist aber weiterhin wirklich von Menschen komponiert. Da haben wir einerseits Wieland Reissmann mit seinem Stück #kreuzknoten, in dem zwei verschiedene Tempi miteinander verknüpft sind – das ideale Stück also für zwei Roboterarme. Dann kommt der Kurzfilm „Spot.Me“, der gemeinsam mit einer 9. Klasse entstanden ist. Hier tanzen die Jugendlichen zusammen mit einem Roboterhund und das Orchester wird den Film live begleiten. Auch das ist wieder eine neue Möglichkeit des Roboterarms: Normalerweise müsste der Dirigent unglaublich aufpassen, was er da hört, und gleichzeitig auf den Film achten, damit das Orchester überhaupt synchron dazu spielen kann. Das wird aber mit dem Roboter nun ganz einfach, weil wir von vornherein eine technische Verknüpfung zwischen Roboter und Film herstellen. Das Konzert entet schließlich mit einem Stück von Jazzpianist Andreas Gundlach, der sogar noch eine Ebene obendrauf gesetzt hat und ein Stück für drei Roboterarme und Orchester komponiert hat. Das Orchester ist hier dreigeteilt, wie bei einem Triptychon: Und jeder dieser Teile guckt auf seinen eigenen Roboterarm, die alle drei in unterschiedlichen Tempi dirigieren.  

Klassik Radio:  Wie könnten sich Roboter in der Zukunft entwickeln, wenn sie in der Musik eingesetzt werden? 

Markus Rindt: Wir sind natürlich noch ganz weit davon entfernt sind, ein emotionales Dirigat zu erleben. Dafür müsste der Roboter genau das hören können, was das Orchester spielt und darauf auch reagieren. Ich glaube, das wird noch extrem lange dauern. Aber Roboter könnten zukünftig vollkommen neue Werke kreieren, die man sonst nicht aufführen könnte. Das ist vielleicht vergleichbar mit der Erfindung des Synthesizers, in der Mitte des letzten Jahrhunderts. Synthesizer werden heute überall eingesetzt: In der Filmmusik, im Popbereich... Mit ihnen wurden die klanglichen Möglichkeiten enorm erweitert. Und bei unserem Projekt passiert diese Erweiterung nun eben auf rhythmischer Ebene.

Foto: David Sünderhauf

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