Was passiert, wenn ein klassischer Konzertpianist auf das größte Heavy-Metal-Festival der Welt trifft? Joja Wendt liefert die Antwort – und zwar mit einem eigens geschmiedeten Flügel aus Metall, Pyrotechnik und Lichtshow. Für seinen Auftritt beim legendären Wacken Open Air hat der Hamburger Musiker ein einzigartiges Instrument bauen lassen, das Klassik und Metal auf spektakuläre Weise vereint.
Was braucht man, um auf dem Wacken Open Air, dem größten Heavy-Metal-Festival der Welt, zu bestehen? Lederjacke, lange Haare, vielleicht ein Mikrofon, das man anschreien kann. Joja Wendt hingegen bringt… einen Flügel. Aber natürlich keinen gewöhnlichen. Der Pianist hat sich für das härteste Festival der Welt ein eigenes „Biest“ bauen lassen – aus Metall, mit Pyrotechnik, Lichtshow und einer Titanplatte zum drauf Flexen. „Ich habe die Herausforderung bekommen, als Konzertpianist auf dem Wacken Open Air zu spielen, vor 80.000 langhaarigen, tätowierten Heavy-Metal-Fans. Also habe ich gedacht: Muss es den ersten aus Eisen geschmiedeten Heavy-Metal-Flügel geben“, erzählt Joja Wendt im Klassik Radio Interview mit Valeska Baader.
Ein herkömmlicher Steinway wäre auf der Bühne von Wacken vermutlich in Sekunden verglüht. Also musste ein Instrument her, das nicht nur klingt, sondern auch einsteckt und ordentlich austeilen kann. „Das Schöne ist: Bei einem Metallflügel kann man das ja machen – ein Holzflügel würde abfackeln. Alles, was die Pyrotechnik so zu bieten hat, kann man in diesen Flügel implementieren.“
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Die Idee entstand bei einem Gespräch mit Holger Hübner, einem Mitgründer des Wacken Open Air, erzählt Wendt. „Ich habe gesagt: ,Was ich gar nicht verstehe, ist, dass bei Euch auf dem Festival keine Metallinstrumente stehen. Wenn ich da spielen würde, würde ich mir einen richtigen Heavy-Metal-Flügel bauen.‘ Und er sagte: ‚Ja, dann mach doch!‘“ Gesagt, getan. Innerhalb eines Jahres entstand das vielleicht martialischste Tasteninstrument der Musikgeschichte. Und der Weg dahin war alles andere als gewöhnlich. „Erst war die Zeichnung. Dann haben wir das Ganze in einer KI visualisiert – ein 3D-Prompt, der dem Metallbauer eine Vorstellung gegeben hat, wo die Reise hingeht. Und daraus ist dann dieses Biest geworden.“
Der Entstehungsprozess: klassisch und zugleich unklassisch. Zwischen skizzierten Konstruktionsplänen, digitalen KI-gestützten Renderings und Werkstattabenden mit Schweißgerät und Schutzbrille nahm der Flügel immer mehr Gestalt an.
Was spielt man auf einem Flügel, der aussieht wie ein schreckliches Riesenmonster? Natürlich Klassik sagt Wendt – aber mit Metal-Upgrade. Grieg, Rimski-Korsakow, Beethoven – sie alle bekommen ein neues Bühnengewand und sind „für die härteste Bühne der Welt bearbeitet“. Dazwischen: Metallica, Prince, AC/DC. Der Mix ist so wild wie das Publikum. Und genau das ist die Idee. „Das Wacken Open Air ist eine große Show. Die Leute verkleiden sich, und insofern habe ich gedacht, da kann man auch ein bisschen Zinnober machen – ein bisschen Feuer und alles, was zur Musik passt.“ Für Wendt ist dabei klar: Die Verbindung zwischen Heavy-Metal, Rock und Klassik ist viel enger als man vielleicht auf den ersten Blick denken würde: „Was Beethoven gespielt und geschrieben hat, das hat alles einen Punch, einen Groove. Er ist, würde ich sagen, der erste Hardrocker der Welt gewesen.“
Mit seinen genreübergreifenden Programmen und dem immer bewahrenden Showinstinkt ist Wendt ohnehin schwer einzuordnen. Klassisch? Jazzig? Rockig? Er selbst nennt sich „Hybrid-Pianist“ – und diese Grenzgängerei macht ihn zur Idealbesetzung für ein Festival, das seit jeher die Extreme liebt. „Ich bin ja kein wirklich klassischer Pianist. Insofern kann ich durch die Welten wandeln. Aber das fühlt sich schon schräg an. Es gibt ja kein Blueprint dafür. Da muss man einfach rein in die Situation und das Beste draus machen.“
Die Premiere findet am 1. August beim Wacken Open Air statt. Bislang ist der Einsatz des Metallflügels nur für diesen einen Auftritt geplant. „Das ist quasi so ein One-Off. Klar, die Produktion kostet über 100.000€, aber trotzdem haben wir das jetzt für diesen einen Auftritt gemacht.“ Aber: Träumen ist erlaubt – die Welt der Heavy-Metal-Bühnen ist groß. Und wer weiß: Vielleicht kommt das feuerspuckende Ungetüm bald auf Welttournee?
Joja Wendts spektakuläres Vorhaben beim Wacken Open Air zeigt: Musik kennt keine Schubladen. Wer dieses Gefühl mit nach Hause nehmen möchte, sollte „Rock meets Classic“ auf Klassik Radio Select einschalten – dort wird Crossover zum Programm: