Das oneMusic Orchestra feiert am Freitag sein Debüt. Frisch gegründet vom Dirigenten Yoel Gamzou, hat es ein außergewöhnliches Konzept.
Denn auf dem Programm hat das oneMusic Orchestra stets eine ausgewählte Mischung: Die eine Hälfte besteht aus Meisterwerken der Klassik. Die anderen 50 Prozent sind Neukompositionen von Künstlern mit ganz unterschiedlichen musikalischen Hintergründen, von Pop über Elektro bis Folk. "Ich war immer der Überzeugung, dass eine Kunstform nur überlebt und nur Sinn macht, wenn sie gleichermaßen einen wichtigen alten Kanon von alten Werken hat und einen wirklich lebendigen zeitgenössischen Output, von Menschen von heute, unserer Zeit, für unsere Zeit. Das Problem mit der neueren Musik in unserer Branche habe ich schon immer als extrem stark empfunden, weil ich die Musik, die angeboten wurde, extrem befremdlich fand und eigentlich größtenteils eine Zumutung fürs Publikum und mich gefragt habe: 'Wenn ich als Musiker nicht hören will, warum sollen andere Menschen es hören wollen'", erklärt Gründer und Dirigent Yoel Gamzou.
Deshalb ist der Musiker bei der Suche nach aktuellen Neukompositionen auch sehr ungewöhnlich vorgegangen: "Wir haben auf Social Media ganz naiv einen 'Open Call' gemacht und haben gesagt: 'Wir suchen nach Komponisten, die eine ganz andere Sprache haben, die Musik schreiben, die Menschen auch hören wollen und trotzdem Qualität hat.' Es wurden tatsächlich 350 Menschen nominiert und wir haben uns jeden Einzelnen angehört und haben eine Gruppe von Menschen gewählt, die man sonst niemals bei einem klassischen Konzert in Deutschland hören würde", berichtet Yoel Gamzou begeistert.
Eines ist ihm auch ganz wichtig: bei dem Konzept des oneOrchestras geht es definitiv nicht um "Cross-Over": Allein mit dem Begriff hat der Dirigent ein Problem, beschwört er für ihn doch Bilder herauf wie ein Streichensemble, das einen Popstar begleitet, der im Prinzip das gleiche singe wie immer. "Es bedeutet, es werden zwei Kunstformen aufeinander geklebt, keine setzt sich wirklich mit der anderen auseinander, man klebt es einfach zusammen, daraus entsteht ein neue Produkt, das aber genauso auch ohne das andere sein könnte. Mir geht es darum, Künstler zu finden, die eine Sprache entwickeln, die heutig ist. Man kann heute nicht komponieren und so tun, als ob man die letzten hundert Jahre der populären Musik nicht erlebt habe."
Was er damit genau meint? „Ein Komponist aus unserer Zeit wird Bach kennen, Mozart und Mahler kennen, aber genauso die Beatles, Radiohead, elektronische Musik, Volksmusik usw. kennen, denn das ist genauso ein Teil unserer musikalischen Welt. Für mich wird ein wahrhaftiger heutiger Komponist alle diese Einflüsse in sich aufnehmen und das, was in ihm Resonanz findet, in seine Musik einfließen lassen. Ich möchte einen Raum schaffen, in dem diese Künstler, ohne Wertung, da unsere Branche wahnsinnig wertend ist, die Möglichkeit haben, unterschiedliche Einflüsse zu verbinden und trotzdem eine tiefsinnig und viel Substanz für ein klassisches Orchester komponieren können.“
Wie das klingen kann, davon gibt es das erste Mal am Freitag beim Beethovenfest in Bonn eine Kostprobe: bei »Beethoven 5 plus 4« . Dabei werden Beethovens fünftes Klavierkonzert und seine fünfte Sinfonie vier Uraufführungen neuer Werke gegenübergestellt, die mal rockig, mal filmisch-bombastisch und mal avantgardistisch daherkommt. "Ich kann eine Sache sagen: die Stücke werden definitiv nicht so sein, wie das, was man in Konzertsälen heutzutage unter neuer Musik kennt. Ich glaube, sie werden die Menschen sehr direkt berühren und sehr direkt ansprechen. Was ich mir sehr wünsche ist, dass sie die Leute emotional so erreichen, dass man sich traut, auch zu sagen: 'Oh, das mochte ich gar nicht', aber nicht "Oh, das habe ich nicht verstanden.' Denn das ist für mich der Tod der Kunst, wenn es nur darum geht, etwas zu verstehen."
Nach der Weltpremiere will das oneOrchestra auf Tournee gehen mit einem klaren Ziel: "Wenn ich in ein Paul McCartney Konzert gehe, sitzen dort 10.000 Menschen. Man musste ihnen nicht sagen: 'Ihr müsst dorthin gehen.' Sie sind dort, weil sie es unbedingt wollten. Mein Ziel ist es, das in der Klassik zu erreichen bzw. will ich es gar nicht mehr "Klassik" nennen. Es geht nicht darum, dass es alte Stücke sind, sondern es geht mir darum, dass es ein Orchester ist, bei dem die Menschen neugierig sein werden und sich fragen, wann das nächste Konzert ist, weil sie uns als Marke vertrauen, dass es immer aufregend sein wird." Vielleicht liegt genau darin die Zukunft der Klassik: weniger in Genre-Grenzen zu denken, sondern in der Kategorie "Gute Musik" - und Altes und Neues gleichermaßen zu genießen