Von Bach bis Black Sabbath: So viel Klassik steckt in Heavy Metal

Von Bach bis Black Sabbath: So viel Klassik steckt in Heavy Metal

Wacken – ein Name, der wohl eher mit Nieten als mit Noten assoziiert wird. Doch das weltgrößte Metal-Festival, das jährlich Tausende in ein norddeutsches Dorf lockt, trägt mehr klassische DNA in sich, als man vermuten würde. Von Celli bis zu Chören, von Bach bis Bombast: Hier erfahren Sie, wie nahe sich Klassik und Metal tatsächlich stehen.

Von Bach bis Black Sabbath: So viel Klassik steckt in Heavy MetalFoto: Zamrznuti tonovi/stock.adobe.com

Einmal im Jahr wird das sonst beschauliche Dörfchen in Schleswig‑Holstein erfüllt von hämmernden Drums und kreischenden Gitarrenriffs: dann findet im Wacken Open Air, kurz Wacken, das größte Metal‑Festival der Welt statt. Gestartet in den frühen 1990er Jahren als kleines Treffen metallbegeisterter Fans, hat sich das Festival längst zur Institution mit bis zu 85.000 Besucherinnen und Besuchern aus aller Welt entwickelt. Von Black Metal über Power Metal bis hin zu Symphonic Metal reicht das Line‑Up...

Wer aber denkt, Klassik und dröhnende Rockgitarren schließen sich kategorisch aus, der irrt gewaltig.

Da gibt es etwa die finnische Band Nightwish, deren stilprägende (mittlerweile Ex-)Sängerin Tarja Turunen klassisch als Sopranistin ausgebildet wurde und zahrleiche Opernrollen gesungen hat – ihre Nachfolgerin, Floor Jansen, studierte Gesangsunterricht, Musical und Oper am Fontys Conservatorium. Simone Simons von Epica, absolvierte ebenfalls eine klassische Gesangsausbildung. Beide Bands integrieren orchestrale Arrangements, Chöre und melodische Linien, die unmittelbar an Sopran‑Arien erinnern. Dabei trifft strahlende Stimme auf harte Riffs – ein klassisches Spannungsfeld in zeitgenössischem Gewand.

Ein besonders bemerkenswertes Beispiel für die Brücke zwischen Klassik und Metal ist die finnische Formation Apocalyptica. Die Gründungsmitglieder trafen sich an der renommierten Sibelius Akademie in Helsinki, einer Universität für klassische Musik, und gründeten in den 1990er‑Jahren eine Cello‑Rock‑Band. Ihr Debütalbum Plays Metallica by Four Cellos (1996) besteht ausschließlich aus Metallica‑Covers, gespielt nur auf Celli, ohne Gitarre oder Bass – eine radikale, aber unmittelbar wirkungsvolle Verbindung von klassischem Instrumentarium mit Rock‑Repertoire. Ihre Interpretation zeigt: die Energie des Metal ist auch ohne elektrische Gitarre vollkommen erlebbar.

Auch in der Komposition und Technik spiegelt sich klassische Musik wider, weit über reine Stilmittel hinaus. Gitarristen wie Yngwie Malmsteen bilden ein Stilideal: als Pionier des sogenannten Neoclassical Metal greifen sie auf barocke Virtuosentechniken zurück – schnelle Arpeggios, chromatische Läufe und harmoniereich strukturierte Soli, die an Paganini und Bach erinnern.

Bands wie Symphony X und Dream Theater gehen noch weiter: mit komplexen Songstrukturen, mehrfachen Bewegungen, ungeraden Taktarten und harmonischem Reichtum, der klassischen Komponisten alle Ehre macht. Symphony X zum Beispiel zitiert Bach und Holst direkt in Stücken wie "The Divine Wings of Tragedy".

Und selbst die Themenwahl ist oft klassisch inspiriert: Mythologie, Geschichte, Tragik, Heroismus – viele Metal-Konzeptionen greifen Stoffe auf, die man in klassischen Opern und Symphonien wiederfindet.



Weitere Bands mit starkem Klassikbezug

  • Children of Bodom: Ihr Track "Red Light in My Eyes part 1 & 2" integriert Mozarts "Symphonie No. 25" und Bachs "Invention No. 13" und zeigt klanglich und thematisch den Übergang von klassischer Musik in den aggressive Metal‑Stil.
  • Rhapsody of Fire: Ihr Song "The Wizard’s Last Rhyme"s entlehnt Dvořáks "Sinfonie Nr. 9" („Aus der neuen Welt“) und verbindet epische Power‑Metal-Ästhetik mit klassischer Harmonik.
  • Haken, Opeth, Obscura, Spawn of Possession: diese Bands nutzen klassische Kompositionstechniken wie Kontrapunkt, dissonante Harmonien, ungerade Taktarten – jenseits bloßer Orchester‑Einblendung.

Warum das auch Klassikfans interessieren kann

Die Faszination des Wacken Open Air liegt nicht nur im Sound, sondern in der Atmosphäre, der Bühne, in der kollektiven Leidenschaft zehntausender Fans – das erinnert an große klassische Konzerte: intensives Hören, beeindruckende Technik, Mutter Erde vibriert.

Vielleicht wären Mozart oder Beethoven heute selbst auf einem Metal-Festival zu finden – nicht auf der Bühne, aber mit gespitzten Ohren im Publikum. Denn was beide Welten verbindet, ist mehr als nur Lautstärke: Es sind Ausdruckskraft, technische Meisterschaft und die Suche nach dem großen Gefühl. Wer genau hinhört, erkennt: Auch hinter verzerrten Gitarren schimmert manchmal der Geist der Klassik. Und vielleicht ist ein Celloriff in einem Metalstück nichts anderes als ein modernes Echo alter Meister.

Holger Hermannsen / 29.07.2025

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