Blutrote Himmel, klirrende Streicher, flüsternde Chöre – manche Filmkomponisten schreiben keine Musik, sie beschwören Albträume. Zum Halloween tauchen wir ein in fünf legendäre Soundtracks, die uns seit Jahrzehnten den Atem rauben – meisterhaft gespielt, unheimlich schön und schaurig unvergesslich.

London Symphony Orchestra (Aufnahmen & spätere Einspielungen)
Es ist eine scheinbar harmlose Szene: Wasser fließt aus dem Duschkopf, eine junge Frau lehnt ihr Gesicht in den Strahl, nur das sonore Prasseln des Wassers erfüllt den Raum. Dann – urplötzlich – wird der Vorhang zur Seite gerissen. Schemenhaft erkennt man ein Messer, das niedersaust. Immer und immer wieder. Dazu ein Stakkato aus zischenden Geigen, die wie Rasierklingen durch die Luft schneiden.
Bernard Herrmanns Musik ist kein Soundtrack – sie ist ein direkter Angriff auf den Zuschauer. Er verzichtete auf jedes Instrument, das Wärme hätte bringen können. Nur Streicher, kalt wie Chrom. Das Ergebnis: pure Panik in Klangform. Alfred Hitchcock sagte einst: „33 Prozent der Wirkung von Psycho sind der Musik zuzuschreiben.“ Man möchte hinzufügen: 100 Prozent des Schreckens.
London Symphony Orchestra
Der Himmel getaucht in düsteres Blutrot, ein steinernes Kreuz zerschellt auf dem Boden – dazu das intensive Anschwellen unheilverkündender Celli. Und doch schwingt bei all dieser Düsternis und Schwere eine Melancholie mit, als habe der romantische Lyriker E.T.A. Hoffmann selbst das Drehbuch verfasst. Francis Ford Coppolas Dracula-Adaption ist eine technicolor-farbene Gothic-Oper voll Horror, Kitsch und Bombast – und genauso ist der Soundtrack, den Kilar dazu komponierte.
Keine leisen Töne, sondern überwältigendes Pathos, selbst in den romantischen Momenten des Films. Kilar übernahm die wagnerische Technik des Leitmotivs und schuf vier wiederkehrende Hauptthemen: für das Grauen, die Liebe, Rache und Erlösung. Dabei balanciert er kongenial zwischen sensiblen Harfenklängen, pompösen Streichern, liturgischen Chören und zarten Alt- und Flötensoli. Dieser Soundtrack ist reines Kino: übergroß, bewegend und wunderschön.
National Philharmonic Orchestra
Die Kamera folgt dem kleinen Jungen Damien durch das Haus. Ein Chor erhebt sich – harmonisch, fast unschuldig – und doch klingt jede Silbe wie eine Prophezeiung des Untergangs. Damien ist kein unschuldiges Kind, er ist die Wiedergeburt des Teufels. Und Goldsmiths Orchester nutzt alle Register, um uns dessen zu versichern: Orgelbässe, die den Boden erzittern lassen, Trompeten wie furchterregende Warnungen, und Chorstimmen, die wie Schatten durch den Raum kriechen.
Die Musiker spielen mit absoluter Kontrolle über Dynamik und Artikulation. Jeder Ton sitzt wie ein gezielter Schlag auf die Brust des Zuschauers, jede Dissonanz lässt das Herz stocken. Es sind nicht die Bilder allein, die die Angst erzeugen, sondern das Zusammenspiel aus virtuoser Präzision und bewusster Unordnung im Orchester: Die Perfektion der Musiker macht diesen Albtraum körperlich spürbar.
National Philharmonic Orchestra
Der Weltraum. Das Raumschiff Nostromo zerschneidet die Dunkelheit des Alls – metallisch, kalt. Offizierin Ellen Ripley bewegt sich angsterfüllt durch die engen Gänge des Raumfrachters, die Kamera folgt – und die Musik des Orchesters schiebt die Spannung wie einen greifbaren Nebel durch den Raum. Die Streicher zittern, als würden sie die Luft selbst verdichten, während die Blechbläser vage, bedrohliche Konturen zeichnen, die sich in jedem Winkel des Schiffes verstecken könnten.
Goldsmith verlangt von den Musikern extreme Präzision: Jede Verschiebung von Tempo, jede mikrosekundenlange Verzögerung steigert die Klaustrophobie. Die Pauken setzen minimal, aber einschneidend ein, Flageolett-Töne der Violinen flirren wie etwas Fremdes unter der Haut. Passend zu dem Wesen, das auf der Nostromo Tod und Verderben bringt, verwendet er auch weniger traditionelle Instrumente: Muscheln, Didgeridoos oder die „Serpent“ – ein historisches Blechblasinstrument aus dem 17. Jahrhundert. Der Effekt erzeugt auch heute noch Unbehagen: Die Anwesenheit des Aliens wird physisch spürbar – wir zittern, halten den Atem an, noch bevor der Horror sichtbar wird.
Hollywood Studio Symphony Orchestra
Zwei einfache Töne genügen – und doch erzeugt das Orchester pure Spannung. Dum-dum … dum-dum … – die Bässe pulsieren wie Herzschläge in der Brust der Zuschauer, die Streicher spannen ein unsichtbares Fangnetz über das Wasser, während Holzbläser subtile Warnungen flüstern und unsere Instinkte wecken.
Die Musiker beherrschen Timing, Artikulation und Dynamik perfekt. Jede Wiederholung steigert das Unbehagen, jede kleine Verstärkung fühlt sich an wie der titelgebende Hai, der sich Meter für Meter nähert. Das Orchester wird selbst zum Jäger – und das Publikum spürt die Bedrohung in den eigenen Gliedern: eine kollektive Reaktion aus Muskelanspannung, Herzklopfen und Nervosität, orchestriert mit der meisterhaften Kontrolle und Präzision zu der nur ein John Williams fähig ist.
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