Wird KI die Klassik revolutionieren?

Vollendete Sinfonien und neue Kompositionen:Wird KI die Klassik revolutionieren?

Als Beethovens zehnte Sinfonie mittels Künstlicher Intelligenz fertiggestellt wurde, schlug das hohe Wellen. Doch kann KI tatsächlich Genies wie Beethoven ersetzen? Ein Gespräch mit dem Komponisten und IT Experten Alexander Vaughan

Wird KI die Klassik revolutionieren?Foto: Alexander Vaughan

KI auf dem Vormarsch

Künstliche Intelligenz wird immer mehr Teil unseres Alltags. In aller Munde ist gerade ChatGPT, doch auch in der Klassik kommt KI immer mehr an. Für großes Aufsehen hat z.B. die Vollendung von Beethovens zehnter Sinfonie mittels KI gesorgt, doch auch in Opernhäuser zieht sie ein, z.B. im September letzten Jahres in der Semperoper in Dresden bei „Chasing Waterfalls“. „Die weltweit erste Oper, in der eine künstliche Intelligenz (KI) Komposition, Libretto und Interpretation „autark und live kreiert“ - so wurde sie angekündigt. Und das sind nur zwei von vielen Beispielen. Es sind Entwicklungen, die Neugier, teils aber auch Ängste wecken. IT-Experte, Komponist und Posaunist Alexander Vaughan ist mitten drin in diesem Spannungs- bzw. Spielfeld von Klassik und KI. Er hat Komposition und Posaune studiert und entwickelt nun entwickelt selbst (KI-)Programme zum Komponieren. 

KI bei Bild und Text weiter als in der Musik

Hand aufs Herz: wie groß sind die Fortschritte von KI in den letzten Jahren wirklich? „Also die gute Nachricht für Musiker ist, dass KI im musikalischen Bereich noch nicht so viel kann. Sie ist tatsächlich immer noch ziemlich weit hinter KI-Generationen in Bild und auch in der Sprache. Alles, was wir von ChatGPT in letzter Zeit gesehen haben und auch von DALL-E, Stable Diffusion, Midjourney, das kann Musik KI noch nicht“, stellt er klar. Das hat einen guten Grund, auch, dass KI im Popbereich schon mehr eingesetzt wird als in der Klassik: „Klassische Musik ist sehr multidimensional. Also, wenn man mit Text arbeitet, arbeitet man mit einer Dimension, man hat mehr oder weniger eine Kette von Wörtern. Musik hat mehrere Dimensionen, die gleichzeitig laufen und auch teilweise asynchron: zum Beispiel halbe Noten gegen Achtelnoten oder was auch immer. Es gibt die ganze Zeit diese zeitlichen Verschiebungen und das macht es sehr schwierig, einem KI Modell musikalisches Material zu füttern. Man darf also nicht alles glauben, was man über KI in den Nachrichten liest,  weil es sehr viel falsche Informationen gibt. KI Musik ist noch sehr jung“, erklärt der Musiker und IT Experte. 

Wird es bald „neue“ Werke von Beethoven mittels KI geben?

Doch wenn KI Musik noch so jung ist, warum konnte dann vor zwei Jahren Beethovens zehnte Sinfonie mittels KI fertiggestellt werden? "Ich glaube, das Projekt ist nur Media Hype gewesen. Denn, wenn sie es wirklich geschafft hätten, eine solche Symphonie nur anhand von KI zu generieren, dann hätten sie mehrere Versionen von der Symphonie machen können oder sie hätten das gleiche Projekt im Stil von anderen Komponisten machen können oder was auch immer. Also ich bin ziemlich sicher, dass diese KI nur in die Lage war, ein paar einfache musikalische Entwürfe zu generieren, vielleicht Melodien, und dann mussten Menschen quasi der Rest machen", meint Alex Vaughan. Wäre es denn theoretisch möglich, dass so bald dann z.B. auch „neue“ Werke von Johann Sebastian Bach oder Wolfgang Amadeus Mozart via KI entstehen können? „Ja, möglicherweise. Aber die Frage ist auch: Was ist Mozart? Ich meine, Mozart war jemand, der sich im Laufe der Zeit entwickelt hat und man kann sein Requiem nicht mit seinen früheren Werken vergleichen und wenn er tot ist, ist dieser Mensch, der sich auch entwickelt und verändert, auch tot. KI kann nur imitieren, was schon existiert. So in gewisser Weise: Ja, es ist etwas Neues, aber im strengsten Sinne kein Mozart! Ich weiß es nicht genau, das ist auch vielleicht eine philosophische Frage", so der Komponist und IT-Experte nachdenklich.

Eines der Stücke von Alex Vaughan anlässlich der Idol Factory:

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Kann KI Künstler in Pop und Klassik ersetzen? 

Das Arbeiten mit KI weckt ja in jedem Fall neue Möglichkeiten, aber auch Sorgen, in diesem Fall natürlich vor allem bei Musikern. Wie wahrscheinlich ist es denn, dass KI Musikerinnen und Musiker im Laufe der Zeit verdrängt? Dabei sollte man, laut Alexander Vaughan zwischen den Genres Pop und Klassik unterscheiden: „Auch wenn wir ein Programm hätten, dass Popmusik vernünftig generieren könnte, wäre es trotzdem sehr schwierig für KI Künstler sich durchzusetzen, weil KI kann z.B. keine Affäre haben, sie kann nichts Menschliches machen, außer die Musik. Doch der Grund, warum Menschen Popmusik hören, ist wegen eines Musikvideos, wegen einer Persönlichkeit, wegen eines Images und KI hat das alles nicht. In gewisser Weise ist die Musik also ein zweitrangiger Faktor in der Pop-Industrie. Sie spielt nicht so eine große Rolle wie man denkt.“ Und wie sieht es in der Klassik aus? „Jein! Also bis zu einem gewissen Grad! Die hochrangigen Künstler wird sie nicht ersetzen können, weil man kein menschliches künstlerisches Genie ersetzen kann. Also Beethoven wird immer von KI unberührt bleiben. Aber, was ich mir sehr gut vorstellen kann, ist, dass KI Musik quasi die Komponisten im Stockmusik-Bereich ersetzt, z.B. Menschen, die Musik für, lass uns mal sagen, Werbung entwickeln, oder generell bei Projekten wo man ein Musikstück so billig und so schnell wie möglich braucht“, schlüsselt Alexander  Vaughan auf. 

Wie KI Komponisten unterstützen kann

Er selbst entwickelt fortwährend Programme zum Komponieren, auch im Bereich KI: „Ich bin sehr vertieft in die KI-Forschung. Einige meiner Programme sind veröffentlicht und das sind erstmal algorithmusbasierte Programme, die etwas einfacher sind. Aber ich habe zurzeit tatsächlich ein Startup-Unternehmen, dass KI-Software entwickelt und wir sind dabei, hochleistungsfähige KI-musikgenerative Programme zu entwickeln und wir wollen diese im nächsten Jahr auf den Markt bringen“, so Alexander Vaughan. „Wir arbeiten an unterschiedliche Arten von musikgenerativen KIs. Natürlich kann man KI nutzen, um alles Mögliche zu generieren: Man kann Akkordfolgen generieren, Melodien generieren und sogar auch Orchestrierungen generieren. Wir haben auch tatsächlich ein Programm zur Zeit, das in der Lage ist, komplette Orchestersätze zu generieren. Wir arbeiten jetzt am zweiten Prototyp davon und, wir hoffen, dass es im nächsten Jahr herauskommt.“ 

Fazit

Es tut sich also einiges im Bereich KI - trotzdem sollte man die Pferde nicht im Voraus scheu machen, so der IT Experte: „Ich glaube, es ist einfach wichtig, dass das allgemeine Publikum versteht, dass Musik KI noch nicht so weit entwickelt ist wie in anderen Bereichen. Es gibt sehr viel Medienhype und den muss man teilweise ignorieren. Also es ist natürlich gut, wenn wir uns Gedanken darüber machen und diese Technologie vorsichtig betrachten und überlegen, wie sie uns beeinflussen könnte,aber es gibt noch kein vernünftiges KI music Tool, das einfach so alles schreiben kann. Es kommt wahrscheinlich, aber es dauert noch ein bisschen, glaube ich.“

 

Klara Jäger / 08.11.2023

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