Die Semperoper Dresden wagt ein beeindruckendes Experiment: Künstliche Intelligenz als Teil und sogar Komponist einer Oper.
Smartphone, Tablet, Computer, YouTube, Instagram, Facebook: Die Technik ist aus unserem Leben und Alltag nicht mehr wegzudenken. Aus diesem Grund hat die Semperoper Dresden beschlossen, genau diese allgegenwärtige Thematik auf die Bühne zu bringen – im wahrsten Sinne des Wortes. Gemeinsam mit Phase 7, Kling Klang Klong und Angus Lee haben sie ein Musiktheater entwickelt, bei dem eine künstliche Intelligenz mit auf der Bühne steht. „Die spannendste Uraufführung der Saison. Chaising Waterfalls ist ein Projekt das mit der Hilfe von KI gespielt wird. Weltweit wird zum ersten Mal eine ganze Szene von künstlicher Intelligenz live auf der Bühne gesungen und getextet. Das hat es so noch nie gegeben“, erzählt der Chef Dramaturg JC Eule im Gespräch mit Klassik Radio.
Für mich ist die Digitalisierung ein Thema das dringend auf die Opernbühne gehört.
Christiane Neudecker, Librettistin
Was das Projekt besonders spannend macht, ist, dass jede Aufführung anders sein wird, da die KI auf der Bühne live komponiert und textet und man nie genau weiß, was entstehen wird, erzählt uns der Regisseur der Oper „Chasing Waterfalls“ Sven Soeren Beyer: „KI bedeutet für uns: Wie schaffen wir es, dass eine KI mit Opernstimme singt, komponiert und getextet und das alles, während die Oper schon läuft, sodass wir gar nicht wissen, wie die nächste Performance aussehen wird.“ Die Grundthematik der Oper bleibt allerdings immer gleich: Sie handelt davon, was künstliche Intelligenz in unserem alltäglichen Leben bedeutet: „Im täglichen Leben sind wir damit konfrontiert, auch wenn wir es nicht wollen oder wissen. Speziell unser Social Media Live wird davon beeinflusst. Wir schaffen unsere eigenen digital Twins und das ist bei uns auf der Bühne auch zu sehen.“ Diese digital Twins werden auf der Bühne dargestellt, wobei einer davon die menschliche Hauptdarstellerin ist, der andere die künstliche Intelligenz. Diese wird durch eine große Videoskulptur dargestellt.
Was ich spannend finde, es wird demokratischer. Jeder kann Musik denken aber nicht jeder kann Musik komponieren.
Sven Soeren Beyer, Regisseur
Künstliche Intelligenz interagiert in diesem Fall als ein Abbild von uns Menschen, die nicht nur unsere schönen Seiten, sondern auch die menschlichen Abgründe präsentiert, erzählt Librettistin Christiane Neudecker im Gespräch mit Klassik Radio: „Wenn wir davon ausgehen, dass die KI sich die Menschheit zum Vorbild nimmt, dann sollten wir durchaus auch wachsam sein, für das, was sie uns da erzählt. Sie blickt auch in Abgründe und nimmt nicht nur das geschönte Bild.“ Die Technologie wird nicht nur durch die KI, sondern auch in der Musik dargestellt: „Es wird auf jeden Fall viel elektronische neue Musik zu hören geben. Es ist ein großer Fokus auf den Klangfarben, die durch die künstliche Intelligenz entstehen. Das hat eine bestimmte Ästhetik, eine schräge Kopie der Menschheit […] Wir werden das auch absichtlich in eine Richtung bringen, in der man sich nicht sicher ist, was man da gerade hört“, erklärt Maurice Messinger der Co-Komponist der Oper von der Musikproduktion Kling Klang Klong.
Trotzdem bleibt auch der Mensch Teil der Oper, erzählt uns JC Eulen: „Die Oper ist ganz vielfältig menschlich. Wir haben ein Ensemble […], Instrumentalisten, diese singen und spielen live und das Ganze wird kombiniert mit den elektronischen Klangkompositionen von Kling Klang Klong, der Komposition von Angus Lee und den KI gesteuerten Klangdimensionen.“ Auch in Zukunft wird künstliche Intelligenz die Oper nicht voll und ganz übernehmen. „Ich glaube nicht, dass menschliches Schaffen damit ersetzt wird, sondern dass ein Katalysator entsteht. Ich glaube auch, dass wir am Anfang einer großen Schwelle stehen. Optimierung wird mehr und mehr in Kreativität wandern und uns Tools an die Hand geben, die wir uns noch gar nicht denken können“, bestätigt uns Sven Soeren Beyer.
Mit der Oper „Chasing Waterfalls“ startet die Semperoper Dresden in ein neues Zeitalter und die Zukunft des Musiktheaters. Auch Maurice Messinger sieht diese Art des Musiktheaters als Zukunft: „Ich sehe in mir nicht den Genius eines Mozarts. Innerhalb der Oper als Gesamtkunstwerk sehen wir uns durchaus auf den Pfaden, weil wir mit unseren akustischen Szenografien im Prinzip etwas fortführen, was in der Oper durchaus schon angelegt ist.“