Als sich am 3. Mai 1864 der junge bayerische König Ludwig II. und der verschuldete Komponist Richard Wagner zum ersten Mal gegenüberstanden, prallten zwei Welten aufeinander: hier der jugendliche Monarch, 1,91 Meter groß, schwärmerisch und weltfremd, dort der abgehetzte Künstler, ein „Charakterkopf“ voller Intrigen und Visionen. Daraus entstand eine ungewöhnliche Beziehungr – ein Drama aus Verehrung, Abhängigkeit und missglückter Realität.
Richard Wagner war ein Getriebener: Schuldenberge, Flucht vor Gläubigern, gescheiterte Uraufführungen. Kurz bevor er im Schuldgefängnis zu enden drohte, erreichte ihn die Einladung Ludwigs II. – verbunden mit Geld, einem Rubinring und schwärmerischen Worten. Für Wagner, der stets auf einen „reichen Fürsten“ gehofft hatte, war es wie eine göttliche Fügung.
Ludwig wiederum sah in Wagner nicht nur den genialen Künstler, sondern eine Verkörperung jener mythischen, überirdischen Welt, die er sich erträumte. Der König, der sich selbst gern als Schwanenritter oder Parsifal gesehen hätte, fand in Wagner den Erfüllungsgehilfen seiner Sehnsüchte.
Ohne die finanziellen Mittel Ludwigs hätte es die Bayreuther Festspiele wohl nie gegeben, auch der „Ring des Nibelungen“ oder der „Parsifal“ wären womöglich unvollendet geblieben. Wagner bekam, wovon er sein Leben lang träumte: Sicherheit, künstlerische Freiheit und die Aussicht, sein Werk auf einer eigens geschaffenen Bühne zu verwirklichen.
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Ludwig II. wiederum schuf sich mit seinen Schlössern Neuschwanstein, Linderhof und Herrenchiemsee eine Art architektonische Parallelwelt in der mystischen Bergwelt des Allgäus, in der Wagners Opernstoffe steinerne Gestalt annahmen. Gleichzeitig englitt der König damit zunehmend der politischen Realität.
So ideal diese Symbiose zunächst erschien, so fragil war sie. Wagner nutzte Ludwigs Großzügigkeit durchaus geschickt – nicht selten an der Grenze zur Ausnutzung. In München provozierte er durch seinen Einfluss auf den König offene Konflikte mit den Ministern. Als Ludwig gezwungen war, ihn aus der Stadt zu entfernen, zeigte sich: Das politische Bayern war nicht bereit für eine „Künstlerherrschaft“.
Auch menschlich kühlte die Beziehung ab. Wagner sah in Ludwig mitunter nur den naiven Gönner, während der König im Komponisten mehr und mehr den übergriffigen, weltgewandten Manipulator erlebte. Gleichwohl blieb die Bindung – ein Briefwechsel voller Pathos, gelegentliche Begegnungen und weiteren Geldflüssen.
Kritisch muss man sich auch fragen: Welche Folgen hatte diese Beziehung? Wagner, dessen antisemitische Schriften schon zu Lebzeiten kritisch betrachtet wurden, fand in Ludwig einen Protektor, der über solche Abgründe großzügig hinwegsah. Ohne Ludwigs Unterstützung wären Teile von Wagners Werk nie realisiert worden – ein Werk, das später von den Nationalsozialisten als vereinnahmt wurde.
Ludwig II. dagegen versank immer tiefer in einer selbstgeschaffenen Traumwelt, die dem Freistaat Bayern zwar bis heute Millionen Touristen beschert, das damilige Königreich aber in den finanziellen Ruin trieb. Seine Herrschaft scheiterte, sein Tod im Starnberger See bleibt bis heute ein Rätsel.
Das Verhältnis von König Ludwig II. und Richard Wagner war zugleich Rettung, Symbiose und Tragödie. Aus der Verehrung des einen und der Bedürftigkeit des anderen erwuchs ein kulturhistorischer Glücksfall: Ohne diese Verbindung gäbe es weder die Bayreuther Festspiele noch die weltberühmten Märchenschlösser. Doch war es auch eine Beziehung voller Projektionen, Täuschungen und Abhängigkeiten.
Der Märchenkönig und sein Komponist – sie waren keine Freunde im eigentlichen Sinne, eher Spiegelbilder ihrer Sehnsüchte. Und vielleicht ist gerade diese Ambivalenz das Geheimnis ihrer ungebrochenen Faszination bis heute.
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