Kinostart "Primadonna Or Nothing": die ungeschminkte Wahrheit der Operndiven

Drei Sängerinnen, drei Karrieren und ein Blick hinter die Fassade:Kinostart "Primadonna Or Nothing": die ungeschminkte Wahrheit der Operndiven

Heute läuft die Doku „Primadonna or nothing“ im Kino an und zeigt einen ungefilterten Blick hinter die glänzende Fassade der Oper. Die Kamera begleitet drei Sängerinnen, alle an einem anderen Punkt ihrer Karriere. Wir haben mit einer von ihnen, Opus-Preisträgerin Valerie Eikhoff, und der Regisseurin, Juliane Sauter gesprochen.

Kinostart "Primadonna Or Nothing": die ungeschminkte Wahrheit der OperndivenFoto: Camino Filmverleih GmbH 2025

Was das Publikum nicht sieht

Wenn Mezzosopranistin Valerie Eickhoff auf die Bühne tritt, dann geschieht eine Verwandlung: die junge Sängerin, die noch einige Minuten zuvor eher nervös und mit Lampenfieber in der Garderobe gesessen hat, tritt voller Präsenz und mit einem strahlenden Lächeln auf die Bühne und nimmt das Publikum für sich ein. Für diese Momente gibt sie alles: lange Reisen, wenig Privatleben, stundenlanges Üben und vor allem: das ständige "Sich-Beweisen-Müssen". Denn "das hört nicht auf", meint sie im Interview. "Das merk ich jetzt, wo ich ins, ich nenn's immer, 'nächste Level', komme. (...)Wenn man z.B. eine größere Rolle singen darf (...): der Druck wird nicht weniger. Man hat immer diese Angst im Nacken: 'Mach ich das jetzt gut genug, werden die mich wieder engagieren?' (...) Und der Druck wächst mit jedem Engagenment, jedem Schritt auf der Karriereleiter: "Also die Erwartungshaltung wird eigentlich immer höher, auch von den Zuschauern, wenn die lesen, was man schon alles gemacht hat."

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Drei Sängerinnen, drei Karrieren

Genau diese oftmals unbekannte Seite des Opernbusiness, hinter den glamourösen Auftritten, möchte Regisseurin Juliane Sauter in ihrer Dokumentation "Primadonna Or Nothing" zeigen. Dafür begleitet sie drei Sängerinnen in ihrem Alltag, jede von ihnen steht an einem anderen Punkt ihrer Karriere: Valerie Eickhoff (mittlerweile Opus-Preisträgerin) ist bei den Dreharbeiten noch dabei gewesen durchzustarten, Grammy-Gewinnerin Angel Blue Joy steht auf dem Höhepunkt ihrer Karriere und singt auf allen großen Bühnen der Welt und die Sopranistenlegende Renata Scotto (im Jahr 2023 verstorben) blickt auf ihr Leben im Rampenlicht zurück. Für einen möglichst ungefilterten, authentischen Blick ist Juliane Sauter deshalb eine Sache bei ihren Protagonistinnen wichtig gewesen: "Ich habe vor allem Sängerinnen gesucht, die sehr ehrlich sind. Am Ende waren auch viele sehr ehrlich. Aber sie wären nicht ehrlich gewesen vor der Kamera. Denn es ist eine Sache zu sagen:' Ja, so läuft das eigentlich und so fühle ich mich eigentlich' , aber sich dabei auch drehen zu lassen, ist schon noch mal einen Schritt weiter. Deshalb habe ich bei der ersten Recherche darauf geachtet, wer mir mehr als die 'Presseantworten' gibt."

Die Grammy Award Gewinnerin Angel Blue
Foto: Camino Filmverleih GmbH 2025

Kamera immer hautnah dabei

Darauf ist auch bei den Dreharbeiten geachtet worden, wie Valerie Eickhoff berichtet:"Das Kamerateam hat schon immer sehr schnell erkannt, wenn wir so 'performt' haben und uns so quasi präsentiert haben vor der Kamera und wenn man dann wieder kurz vergessen hat, dass die Kamera da ist und man eben diese ganz rohen Momente gezeigt hat." Wie ist es denn gewesen, so auf Schritt und Tritt von der Kamera begleitet zu werden? "Komisch und schön zugleich. Aber auch wirklich herausfordernd. In einem Moment, da hatte ich so einen Tiefpunkt bei dem Wettbewerb in Montreal, da habe ich dann extra z.B. den Hinterausgang genommen, weil ich nicht wollte, dass sie mich filmen (lacht). Da war ich erstmal zehn Minuten Eisessen alleine. Dann habe ich sie aber später wieder dazu geholt, denn das ist ja auch das, wozu ich ja gesagt habe. Und wenn ich etwas mache, dann will ich es richtig machen und wenn wir eben die Mission haben, ein reelles Bild von diesem Berufsweg zu zeigen, dann eben auch so wie es ist."Und genau das zeigt die Doku "Primadonna Or Nothing" auch: die Triumphe, den Beifall, aber eben auch die Mühe, den Druck und die Arbeit, die eine Gesangskarriere fordert. Umstände, die auch Juliane Sauter als junge Regisseurin kennt: "Also, das merke ich auch immer mehr, dass das meine Situation irgendwie widerspiegelt. Man muss am Anfang einfach wahnsinnig viel erst mal von sich selber geben und reinstecken und beweisen: Ich habe das verdient, da zu stehen auf der Bühne oder ich habe es verdient, dass ich jetzt diese Förderung bekomme für diese Filme und ihr könnt mir vertrauen, dass ich das schaffe."

Dreidimensionaler Blick auf eine Karriere

Und selbst wenn man es geschafft hat, wie Angel Blue Joy, und auf dem Zenith der Karriere steht, ist Ausruhen keine Option. Nach 15 Jahren erkennt die Sängerin die Schattenseiten des Ruhms und wieviel sie bereits für ihre Karriere geopfert hat. Währenddessen blickt Renata Scotto sehnsüchtig zurück auf ihre Karriere - sie ist im Ruhestand und träumt vor allem vom früheren Ruhm. Dieser dreidimensionale Blick auf eine Sängerkarriere bringt Valerie Eickhoff zum Nachdenken, gerade im Bezug auf Renata Scotto: "Man merkt schon, dass sie da immer noch diese Bestätigung braucht und so ein bisschen sehr im Außen lebt. Und das macht dieser Job eben auch mit einem: man ist so daran interessiert, dass man die Bestätigung bekommt:'Ja, das war jetzt richtig toll und super gut gemacht (...)'. Und ich möchte mich davon gar nicht abhängig machen und hoffe sehr, dass ich im Laufe dieser ganzen Jahre mir das auch ein bisschen selber geben kann und eben nicht am Ende meiner Karriere dann so dem hinterherhänge oder auch andere Sachen gefunden habe, die mich bereichern".

Opernlegende Renata Scotto beim Schlussapplaus auf der Bühne
Foto: Camino Filmverleih GmbH 2025

Von der Oper fürs Leben lernen

Doch auch das Publikum kann etwas von der Opernlegende Renata Scotto lernen, meint Juliane Sauter: "Das hört sich jetzt vielleicht ein bisschen cheesy an, aber es geht darum, dass man irgendwie lernt, diesen Moment auch wahrzunehmen, in dem man gerade ist und nicht mit zuviel Negativem zu verbinden und sich zu sagen: 'Hey wie geil ist es eigentlich, dass ich jetzt auf dieser Bühne stehen kann'. Deswegen ist auch Renata in diesem Film. Sie denkt nostalgisch zurück an eine Zeit, die Valerie oder auch Angel gerade erleben. Die wiederum diese Zeit aber teils als sehr 'tense' oder voller Druck und Erwartungshaltung empfinden, obwohl es natürlich auch eine total schöne Zeit ist. Es geht also eigentlich um das Leben: dass man irgendwie versuchen sollte, es so zu nehmen wie es ist, und auch im Moment zu leben."

Menschen wie du und ich auf der Bühne

Eine Botschaft also, die nicht nur für die Opernwelt, sondern das Leben im Allgemeinen gelten kann. Und überhaupt zeigt die Doku "Primadonna Or Nothing" wie lebendig und in der Gegenwart die Akteure der Oper sind. Und genau das soll das Publikum auch daraus mitnehmen: "Dass man versteht: das sind Menschen auf dieser Bühne. Dass man vielleicht auch, wenn man das nächste Mal in die Oper geht, das ein bisschen ganzheitlicher sehen kann und nicht immer nur so diese Leistung erwartet." Bei den Screenings ist die Message bereits bei den Zuschauerinnen und Zuschauern angekommen: "Gerade jüngere Leute haben gesagt: 'Ich habe gar nichts mit Oper zu tun, ich war noch nie in meinem Leben in der Oper." Danach dann aber: "Jetzt hab ich richtig Bock auf Oper! Das freut uns natürlich", so Juliane Sauter. So ist „Primadonna Or Nothing“ nicht nur ein Film für Opernliebhaber, sondern ein Film für alle, der nachhaltig für Oper begeistert. Ab heute im Kino.

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Klara Jäger / 07.08.2025

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