"Musik kommt aus Stille": Starpianist und Dirigent András Schiff erhält Nobelpreis der Künste

"Musik kommt aus Stille": Starpianist und Dirigent András Schiff erhält Nobelpreis der Künste

András Schiff, einer der größten Pianisten und Dirigenten unserer Zeit, wird heute mit dem Nobelpreis der Künste ausgezeichnet – eine Ehrung, die nicht nur seine meisterhafte Technik, seine tiefgründige Musikalität, sondern auch seine gesellschaftliche Haltung würdigt. Was macht diesen ungarischen Künstler so einzigartig? Und warum bleibt seine Musik eine Quelle der Inspiration für Generationen? Erfahren Sie mehr über den Mann, der die klassische Musik neu definiert hat.

András Schiff im Leipziger GewandhausFoto: Alexander Böhm/CC BY-SA 4.0

András Schiff wurde 1953 in Budapest geboren und wuchs in einer musikalischen Familie auf. Schon früh zeigte sich seine außergewöhnliche Begabung, und er wurde an der berühmten Franz-Liszt-Akademie ausgebildet. Schon in jungen Jahren stach er durch seine Fähigkeit hervor, musikalische Werke mit einer ungewöhnlichen Tiefe und Intuition zu interpretieren. Es war jedoch seine Entscheidung, sich nicht nur auf die Werke der Romantik, sondern auch auf die Musik des Barock und der Wiener Klassik zu konzentrieren, die ihn in den Augen vieler zu einem der bedeutendsten Pianisten seiner Generation machte.

Als Schiff in den 1970er Jahren erste internationale Auftritte hatte, war er bereits bekannt für seine Fähigkeit, Werke von Bach, Beethoven und Mozart mit einer Klarheit und Eleganz zu spielen, die seinesgleichen suchte. Besonders seine Interpretationen von Bachs „Goldberg-Variationen“ und Beethovens Klaviersonaten gelten als Meilensteine der modernen Klaviermusik. Doch András Schiff ist nicht nur ein Pianist – er ist auch ein Dirigent, der immer wieder zeigt, dass seine Musikverständnis weit über das Klavierspiel hinausgeht.

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Musik mit Vision

Was Schiff von vielen seiner Kollegen unterscheidet, ist seine tiefe Philosophie der Musik. Er sieht das Klavier nicht nur als ein Instrument, sondern als eine Erweiterung der musikalischen Gedankenwelt, die er mit seinem Publikum teilen möchte. Besonders in seinen Konzerten und Aufnahmen wird deutlich, wie er es versteht, musikalische Linien zu verweben und durch subtile Nuancen neue Dimensionen des Stücks zu eröffnen. Er fordert dabei stets die Vorstellungskraft seiner Zuhörer heraus.

„Es tut der Kunst gut, wenn sie Gesetzen und Formen folgt – wie auch dem Leben im Allgemeinen. Wir sollen frei sein, aber in einer gewissen Ordnung leben“

András Schiff
im Interview mit "Tagblatt"

Seine Interpretation von Bach ist ein perfektes Beispiel dafür, wie er musikalische Werke nicht nur ausführt, sondern lebendig werden lässt. In seiner Lesart des „Wohltemperierten Klaviers“ beispielsweise stellt er die Struktur und das Zusammenspiel der einzelnen Sätze mit einer Klarheit dar, die oft unbemerkt bleibt – gerade bei den größten Interpreten.

András Schiffer beim BBC Radio
Foto: Steve Bowbrick/CC BY 2.0

Der Dirigent

Neben seiner Tätigkeit als Pianist hat sich András Schiff auch als Dirigent einen Namen gemacht. Er dirigiert sowohl Werke des Barock als auch der Romantik und hat dabei einen einzigartigen Ansatz entwickelt. Im Gegensatz zu vielen Dirigenten, die sich auf das große Orchester konzentrieren, bevorzugt Schiff kleinere Besetzungen, um die Details und die Struktur der Musik noch klarer zu offenbaren. Dies tut er in seiner Arbeit mit dem „Cappella Andrea Barca“, einem Ensemble, das er in den frühen 1990er Jahren gründete. Seine Orchesterarbeiten zeichnen sich durch eine tiefgründige Musikalität und das Bestreben aus, die Werke im Sinne der Komponisten zu interpretieren, ohne jedoch in historischen Dogmatismus zu verfallen.

Seine Kunst am Taktstock geht oft Hand in Hand mit seinem Klavierspiel. In vielen seiner Konzerte übernimmt Schiff sowohl die Rolle des Solisten als auch die des Dirigenten, wodurch er die Musik auf eine sehr persönliche Weise gestalten kann. Die Harmonie zwischen Orchester und Solist in seinen Aufführungen ist eine seiner Markenzeichen.



Eine musikalische Philosophie

Ein entscheidender Aspekt von Schiffs Musikverständnis ist seine Haltung zur Musikvermittlung. Er setzt sich intensiv mit dem Verständnis der Werke auseinander, bevor er sie auf die Bühne bringt, und er teilt diese tiefgreifende Auseinandersetzung auch gerne mit seinem Publikum. In zahlreichen Meisterkursen und Interviews erklärt er, wie er sich den Werken nähert, welche historischen und philosophischen Überlegungen dabei eine Rolle spielen und wie er die Musik immer wieder neu entdecken kann.

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Haltung und politisches Engagement

Parallel zu seinem musikalischen Werdegang entwickelte er schon früh ein Bewusstsein dafür, dass Musik und Gesellschaft nicht getrennt werden können. Bereits 2011 veröffentlichte Schiff einen offenen Brief, in dem er die ungarische Regierung unter Viktor Orbán wegen ihrer Politik gegenüber Roma, Medienfreiheit und Antisemitismus kritisierte. Er erklärte, er werde nicht mehr in Ungarn auftreten. Diese Entscheidung war nicht nur symbolisch: Er setzte damit eine rote Linie, dass künstlerische Freiheit und gesellschaftliche Verantwortung für ihn zusammengehören.

Im März 2025 kündigte Schiff an, sämtliche für die Saison 2025/26 geplanten Konzerte in den USA abzusagen – aus moralischen Gründen im Angesicht politischer Entwicklungen dort. „Wir leben nicht im Elfenbeinturm, in dem die Künste unberührt von der Gesellschaft sind“, so Schiff.

Der Nobelpreis der Künste

„Die Menschen brauchen in unseren lärmigen Zeiten Poesie und Wärme“, so Schiff im Interview mit der WAZ. Und vielleicht ist diese Botschaft, sein Wirken, in diesen Zeiten aktueller und wichtiger denn je.

Die Verleihung des Praemium Imperiale ist damit mehr als eine Ehrung des Lebenswerks eines großen Musikers. Dieser Preis, oft als „Nobelpreis der Künste“ bezeichnet, würdigt Künstlerinnen und Künstler, die auf höchstem Niveau wirken und Gesellschaft nachhaltig mitgestalten. Gerade in einer Welt voller Unruhe – politisch, gesellschaftlich, kulturell – ist es von höchster Dringlichkeit, Menschen zu würdigen, die nicht dem schnellen Ruhm verfallen, sondern für Kontinuität, Klarheit und Haltung - auch politisch - stehen.

András Schiff bietet Ruhe nicht als Rückzug ins Private, sondern als bewusste kulturelle Stellungnahme. Seine Musik und seine Haltung werden so zu einem Gegenpol zu Impulsivität, Oberflächlichkeit und Kommerzialisierung. Er ist ein wahrer Meister, ein Künstler, dessen Leben und Werk noch lange nachhallen werden.

Holger Hermannsen / 22.10.2025

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