Die Leinwand schweigt - doch das Geschehen darauf wird live untermalt - mit Klaviermusik. Wie der Beruf eines Stummfilmkomponisten aussieht.
Für uns mittlerweile unvorstellbar: Filme ohne Musik von John Williams, Hans Zimmer und Co. Vor allem aber: ohne Ton! Doch auch wenn Stummfilme mit Klavierbegleitung wie aus der Zeit gefallen scheinen - sie sind auch ein spannendes Erlebnis. Gerade heutzutage. Deshalb sind die Vorstellungen gut besucht. Einer der gefragtesten Nachwuchstalente im Bereich der Stummfilmmusik ist Richard Siedhoff. Er erzählt, wie man sich den Alltag des Stummfilmpianisten vorstellen kann: "Man sitzt viel da und organisiert, übt, komponiert. Dann schaut man sich viele Filme an, entwirft Stummfilmprogramme, schaut was für das Publikum geeignet ist und was man für eine Musik dazu macht. Irgendwann, wenn dieser riesige Berg an Arbeit vollbracht ist, sitzt man endlich im Kino oder auf einem Festival oder auf einer Kulturbühne am Klavier und begleitet einen Stummfilm.“
Seit 2008 begleitete das Nachwuchstalent mehr als 300 Stummfilme an seinem Klavier. Dabei stößt er auf einige Herausforderungen. „Manchmal bekommt man Filme, die man selbst nicht unbedingt mag. Die große Herausforderung ist dann, den Film trotzdem so zu begleiten, als wäre es der eigene Lieblingsfilm. Erst wenn man das schafft, wird das Publikum gefesselt und man kann den Film besser machen. Mir geht es ganz oft so, dass ich einen Film ohne Ton sichte und mir denke: Nett. Wenn ich dann selbst dazu gespielt habe, denke ich mir: Mensch, das ist doch wirklich ein raffinierter Film und eigentlich ein Meisterwerk.“, berichtet Richard Siedhoff stolz.
Die Funktion von Stummfilmmusik ist es, den Film emotional zu stützen und dem Film auch da Tempo zu geben, wo dieser ohne Musik vielleicht ein bisschen durchhängen würde. Die musikalische Begleitung gibt dem Ganzen einen spannungsreichen Rahmen. Eigentlich beschäftigt sich Richard Siedhoff vor dem Komponieren mit den entsprechenden Filmen. Doch das ist nicht immer möglich. „Wenn man großes Pech hat, kann man den Film vorher gar nicht sehen. Dann liest man sich Kritiken aus der Zeit durch und muss dann ganz spontan improvisieren. Meine Arbeit ist immer eine Mischung zwischen Komposition und Improvisation.“ Richard Siedhoff nennt diesen Prozess auch Konzeptkomposition. Je mehr Improvisation bei einer Stummfilmbegleitung dabei ist, umso mehr kann er sich dem Publikum anpassen. Gerade bei Komödien stellt er sich so auf den Humor der Zuschauer ein.
Ab wann kann man denn von Filmmusik sprechen? „Ich würde behaupten, dass Filmmusik im Prinzip älter ist als der Film selbst, wenn man sich anschaut, wo der Film und die Filmmusik herkommen. Der Film startete seine Karriere in den Varietés und auf Jahrmärkten. Da wo der Film hinkam, da gab es die Musik schon. […] Im Prinzip sind damit die Grundsteine der Filmmusik in den 20er Jahren gelegt worden, als die ersten großen und vor allem auch kleinen Komponisten begannen, für Filme zu komponieren. […] Heutzutage ist Filmmusik unglaublich vielseitig. Es ist ein Genre, was man sehr schwierig in eine Schublade stecken kann, da es so schubladenfacettenreich ist.“
Neugierig geworden? Dann sollten Sie unbedingt auf der Website von Richard Siedhoff vorbeischauen, um kein Event zu verpassen. Dort gibt es auch anschauliche Musikbeispiele. Neben München, Berlin und Weimar, kann man den Komponisten auch regelmäßig auf den Bonner Stummfilmtagen erleben.