Dr. Wolfram Weimer, Staatsminister für Kultur und Medien, war am 22. Juli zu Gast bei Klassik Radio. Im Gespräch mit den Moderatoren Alexandra Berger und Thomas Ohrner sprach er offen über seine Liebe zur klassischen Musik, ungewöhnliche Hörgewohnheiten, Oper als kulturelles Aushängeschild Deutschlands – und darüber, warum Popcorn in der Oper für ihn kein Tabu ist.
Ein Hauch von Berliner Regierungsluft wehte durchs Klassik Radio Sendezentrum, als Kulturstaatsminister Dr. Wolfram Weimer das „Palais am Stadtmarkt“ betrat. Nach einem herzlichen Empfang durch das Team und einer Führung durch die Studios entwickelte sich schnell ein offener, lebendiger Austausch über die Zukunft der Kultur – vom Stellenwert klassischer Musik bis hin zu den Herausforderungen des Privatradios. Im anschließenden Interview mit Alexandra Berger und Thomas Ohrner zeigte sich Dr. Weimer nicht nur als leidenschaftlicher Kulturpolitiker, sondern auch als humorvoller Zuhörer und überraschend persönlicher Gesprächspartner.
Der 60-Jährige sprach bei Klassik Radio über seine Leidenschaft für klassische Musik, seine skurrilen Hörgewohnheiten, Lieblingsfilmmusiken – und darüber, welchen Platz die Oper in Deutschland einnimmt. Dass selbst ein Kulturstaatsminister bei klassischer Musik mal einnicken kann, verriet er mit einem Augenzwinkern:
„Ich bin schon mal eingeschlafen beim Neujahrskonzert, wenn die Silvesternacht zu lange war. Und dann kämpft man dann beim Neujahrskonzert schon mal damit, aber in Bayreuth ist es mir noch nicht passiert.“
Auch die Frage, ob sich ein lockerer Umgang mit klassischer Musik wie in Italien auf Deutschland übertragen ließe – etwa mit Popcorn in der Oper – beantwortete Dr. Weimer überraschend offen:
„Also, warum nicht? Ich finde, manches kann sich auch öffnen in dem Gestus, wie man das lebt und genießt. Die Italiener haben einen lebensfrohen Zugang zur Musik und vielleicht können wir davon was lernen.“
Wie wichtig ihm ungestörte Konzertmomente sind, machte er deutlich, als er von einem Anruf während eines Kinobesuchs berichtete – und erklärte, warum bei Klassik das Handy konsequent ausgeschaltet bleibt - und sei am anderen Ende auch das Bundeskanzleramt:
„Lustigerweise, da war ich mit meiner Frau vor einem halben Jahr in einem Kinofilm über Donald Trump. Es gab eine Neuverfilmung seines Lebens und seine Untiefen, und das wollten wir uns unbedingt angucken. Wir saßen kaum im Kino, da rief Friedrich Merz an und ich bin da rausgegangen und wollte hören, was ist und bin dann wieder rein, dann haben wir uns den Film zu Ende angeguckt. Beim Konzert würde ich das nicht machen. Da schalte ich wirklich dann auf Flugmodus und dann ist das Telefon mal aus.“
Über seine Rolle als Hesse am Tegernsee – und als Teil des Berliner Kabinetts – sagte Dr. Weimer augenzwinkernd:
„Söder sagt immer, ich sei ein „Beute-Bayer“, und sie hätten jetzt mit mir ja noch einen Geheimminister in Berlin. In Oberbayern [zu leben] ist natürlich der Vorhof zum Paradies, da kann man sich nur wohlfühlen.“
Neben dem Autofahren höre Dr. Wolfram Weimer Klassik Radio auch nachts. Er schildert eine besondere Situation, in der er klassische Musik genießt:
„Ich habe für mich noch eine skurrile Situation, wann ich klassische Musik höre: (…) Ich bin ein Vielschreiber, ich schreibe gerne Artikel und schreibe auch gerne um Mitternacht. Und um mich dann in Stimmung zu bringen, so kurz vor Mitternacht noch mal, dann lege ich ganz gerne etwas Dramatisches sehr laut auf, um mich aufzuputschen. Also, das kann ein Marsch sein oder das kann auch Beethovens Neunte sein, irgendetwas Großartiges, und dann bin ich innerlich präpariert und setze mich um Mitternacht hin und schreibe Artikel. Das ist jetzt als Politiker natürlich nicht mehr so, aber so war es jahrelang.“
Im Bundeskanzleramt laufe weder Radio noch Musik, verrät Dr. Weimer, und bedauert dies zugleich:
„Das Bundeskanzleramt ist ein erstaunlich ruhiger Ort. (…) Ehrlich gesagt, wenn Sie da durch die Räume gehen, durch die Hallen, es ist ganz still. Es ist wie in dem Zentrum des Orkans. Und Radio hören wir dort auch nicht. Es wird im Moment einfach zu viel gearbeitet, um auch noch Radio zu hören. Es ist eine sehr konzentrierte Atmosphäre, also leider nein.“
Auf die Frage, ob im Kabinett auch mal angestoßen werde, wusste Dr. Weimer mit einer launigen Erinnerung zu antworten:
„Ehrlich gesagt, wir sind im Moment total abstinent. Wir sind da so konzentriert in Berlin. Ich habe seit Monaten keinen Alkohol mehr getrunken und so ein gutes Glas Wein fehlt mir, aber das Bierchen gab es an der ersten Kabinettssitzung. Der der Tag war ja ziemlich lange. Dann hat [der Bundeskanzler] aber gesagt, so kurz vor Mitternacht, wir machen trotzdem jetzt die erste Sitzung und brachte ein Fässchen Bier aus dem Sauerland mit und da haben wir dann alle mal dran genippt.“
Und wen fragt der Minister eigentlich um Rat?
„In erster Linie meine Frau und in zweiter Linie den Kanzler.“
Privat besuchen Dr. Weimer und seine Frau gerne Konzerte – möglichst unbemerkt. Und hin und wieder verfassen sie sogar selbst Kritiken:
„Wir schreiben selten, dann aber gerne, und wenn dann nur, weil wir begeistert sind und finden, das muss gewürdigt werden. Manchmal auch, wenn etwas sehr kritisiert wird, dass wir der Meinung sind, nee, das ist eine Würdigung wert. Also, wir sind die positive Echokammer.“
Mit Klassik Radio verbindet ihn nicht nur die Musik – sondern auch die unternehmerische Idee dahinter:
„Ich bin ja ein Mensch, der aus der Wirtschaft kam und Unternehmer ist, und wenn ich ehrlich bin, die Aktie. Es fing bei mir mit der Aktie an. Ich finde es einfach großartig, dass es ein Unternehmen gibt, was sich der hohen Kunst verschreibt, der klassischen Musik, wo man denkt, na gut, also da kannst du kein Geld verdienen, und dass das Unternehmen aber trotzdem sich im Markt hinstellt und sagt, nein, wir suchen Akzeptanz, wir suchen Publikum, und dass das gelungen ist, ist eine großartige Erfolgsgeschichte.“
Auch seine Lieblingsfilmmusik bleibt nicht geheim – mit einem klaren Favoriten aus Kindheitstagen:
„Ich bin ja so ein großes Kind und ich würde sagen: Indiana Jones. Also immer, wenn ich das höre, dann fühle ich mich, als würde ich auf den Zug aufspringen und irgendeinen Schatz erobern. Also eher kindlich in der Leidenschaft.“
Oper? Gerne modern, erzählt Weimer – vor allem, wenn Inszenierungen ein Risiko eingehen:
„Also, lieber moderne. Zwar mag ich bei Opern, wenn es einen zweiten Film gibt, also jenseits der Musik, wenn das inszenatorische, wenn das ein intellektuelles Wagnis ist, ein Experiment, eine Provokation, dann ist das wie ein zweiter Erlebnisraum. Und deswegen gefallen mir Inszenierungen, die etwas wollen, die etwas versuchen und wagen, und da sind die die modernen ganz gut unterwegs.“
Das emotionalste Konzerterlebnis sei für ihn das erste Klavierkonzert der Söhne gewesen, sagt Kulturminister Dr. Wolfram Weimer bei Klassik Radio:
„Die haben wir natürlich alle angehalten, Klavierunterricht zu nehmen, und dann, wenn dann die Kinder so das erste Mal einen Auftritt haben mit dem ersten kleinen Stück und die Eltern sitzen aufgeregt dahinter und sind dann stolz und freuen sich mit den Kindern, wenn es dann geklappt hat, das ist das emotional schönste Konzerterlebnis.“
Klatschen zwischen zwei Sätzen im Konzert – dazu sagt Dr. Wolfram Weimer:
„Ein bisschen zeigt man Kennerschaft, wenn man es nicht tut und es gibt so eine Strenge in Deutschland. Ich habe in Amerika mehrfach erlebt, dass einfach wild geklatscht wurde und eigentlich ist es sympathisch. Also, da wäre ich jetzt nicht so streng.“
Und welches klassische Stück liegt ihm besonders am Herzen?
„Ich weiß gar nicht, wie es dazu kam. Ich glaube, es war, als unser Basketballverein in der Jugend eine Einmarschmusik ausgesucht hat. Da hatte man also ein Ghettoblaster in der Turnhalle und da wurde eine möglichst pathetisch Einmarschmusik gespielt. Und da saßen wir eines Nachmittags und haben verschiedene Optionen angehört. Und dann kam eine, die ich noch nie gehört hatte damals. Ich war 16 und zwar war das Sacre du Printemps von Stravinsky und dieses „bum bum bum bum“. Und das hat mich so beeindruckt, dass mich dieses Stück im Leben mehrfach verfolgt hat. Insofern würde ich sagen, wahrscheinlich das. (…) Ich bin ja nun auch Fußballfan von Eintracht Frankfurt und da gibt es eine Torhymne, das ist die Kavallerie von Suppé und deswegen immer, wenn ich die höre, geht natürlich mein Herz auch auf.“
Auch zum Thema Kleiderordnung in der Oper hat Dr. Weimer eine klare Haltung – und plädiert für Stil mit Bedeutung:
„Ich finde, dass man sich schön anzieht, in die Oper zu gehen, das finde ich ein Wert an sich, weil man sich dann äußerlich rüstet. Man macht etwas Besonderes. Das hat auch was mit Würdigung zu tun für die Künstler, aber auch für die anderen und für das Ereignis an sich. Deswegen bin ich ein Freund davon, sich gut anzuziehen. Aber wie das aussieht, das kann ganz variantenreich sein. Aber dass die Haltung und der Stil dazu gehören, etwas zu würdigen, das gefällt mir.“
Zum Stellenwert der Oper in Deutschland findet er abschließlend lobende und eindrucksvolle Worte:
„Wir sind absoluter Weltmarktführer. Wir haben in Deutschland 80 Spielstätten. Ich glaube, ein Drittel des Weltmarktes findet bei uns statt. Viele, viele Tausend kommen aus der ganzen Welt, um eine Opernsaison in Deutschland zu erleben. Es ist bunt, es ist weit, es ist kreativ, das Feld, es ist vor allen Dingen auch exzellent. Es gibt wenige Felder, wo Deutschland noch so vorne ist und so die Welt beeindruckt mit Können und Leidenschaft. Das ist die Opernwelt, deswegen kann man nur sagen, dass ist eigentlich ein Vorbild für viele andere Dinge.“