In Augsburg startet ab Oktober ein Opernprojekt der besonderen Art: Die Community Oper bringt Nachbarn und neue Perspektiven zusammen. Es geht um Begegnung – und darum, wer eigentlich entscheidet, was „Oper“ ist.
Was passiert, wenn nicht das Theater zu den Menschen kommt, sondern die Menschen das Theater selbst erschaffen? In Augsburg entsteht gerade eine Oper, die genau das wagt: offen, vielstimmig und mitten im Alltag verankert. „Die Community Oper ist ein Musikprojekt von und mit Menschen in Augsburg-Oberhausen. Wir treffen uns für das Workshop-Projekt ein Mal pro Woche mitten im Stadtteil im Café und Integrationsverein Tür an Tür“, erzählt Anna-Sophia Kraus vom Staatstheater Augsburg und Projektleiterin der Community Oper. „Dabei machen wir zusammen Musik und sammeln Geschichten. Jede und jeder ist da herzlich Willkommen.“
Der Startschuss fällt am 14. Oktober – von da an findet die sogenannte Community Oper jeden Dienstag Abend um 19 Uhr statt. Willkommen sind alle ab 16 Jahren mit oder ohne musikalische Vorkenntnisse. Auch jüngere Kinder können teilnehmen, wenn sie von Erziehungsberechtigten begleitet werden. Denn: „Das Projekt soll genau diese Vielfalt sichtbar machen und Menschen eine Stimme geben“.
Doch was ist eigentlich eine Community-Oper? Kraus erklärt: „Das Wichtigste ist: Es geht um Community, um Gemeinschaft. Und die muss manchmal auch erst entstehen. Sie können sich ja selbst mal fragen, wann Sie das letzte Mal mit Ihren Nachbarn gesprochen haben und wie viele Menschen Sie aus Ihrer Straße wirklich kennen. Und genau da setzt dieses Projekt an! Es geht darum, dass Menschen sich begegnen, zusammenkommen – und das durch gemeinsames Musik machen.“
Dabei spielt Vorwissen keine Rolle. Musiktheater als Experimentierfeld, nicht als Leistungsschau. Notenkenntnisse? Völlig unwichtig. „Jeder Mensch bringt da eine Stimme und ein Potenzial mit“, sagt Kraus. Begleitet wird das Projekt von Musikern der Augsburger Philharmoniker, Studierenden des Leopold Mozart Collegs of Music Augsburg und freischaffenden Künstlern aus der Stadt. Wer leitet das Ganze? Niemand – zumindest nicht im klassischen Sinne. „Wir sagen bewusst nicht Workshop-Leitende, sondern Facilitator. Wir verstehen uns als Menschen, die kreative Prozesse ermöglichen, Impulse geben, aber die wichtigen Entscheidungen trifft die Gruppe gemeinsam.“
Und das Ergebnis? Eine Oper, ja – aber eine Oper, wie sie bisher noch niemand gesehen hat. Keine auf Hochglanz polierte Inszenierung, sondern ein bürgernahes Musiktheaterprojekt mit offener Form. Vielleicht mit Arien, vielleicht auch ohne. Entscheidend sind die Geschichten, Klänge und Perspektiven, die die Teilnehmenden selbst mitbringen. „Es ist eine unglaubliche kreative Kraft in Gemeinschaften“, sagt Kraus. Inhalt, Gestaltung und Format entwickeln sich dabei aus dem Prozess heraus. Im Zentrum steht Teilhabe an der Kulturszene. Nicht das Theater kommt in den Stadtteil, um Wissen zu verteilen, sondern es wird gemeinsam Neues geschaffen.
Es geht also um echte Begegnung, um Perspektivenwechsel und um die Kraft kollektiven Ausdrucks. Und so formuliert Anna-Sophia Kraus die Perspektive: „Vielleicht entsteht aus dem Startimpuls der ersten Community-Oper ja wieder etwas Neues – ein Chor im Stadtteil oder ganz andere Ideen. Entscheidend ist: Wir starten einen echten Dialog. Und wenn der weitergeht, hat das Projekt schon ganz viel erreicht.“
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