Johann Sebastian Bach als Comicfigur – und das erstaunlich liebevoll, historisch fundiert und voller Details aus seinem echten Familien- und Arbeitsleben. Eine neue MOSAIK-Sonderausgabe zeigt Bach eine ganze Woche lang privat, kreativ und manchmal herrlich turbulent. Und wir haben mit Prof. Dr. Dr. h.c. Christfried Brödel darüber gesprochen, warum dieser Comic gerade jetzt so wichtig ist.

Dass ein Kultcomic aus der DDR – ausgerechnet das seit 1955 erscheinende Mosaik mit den Abrafaxen – einmal ein Sonderheft über Johann Sebastian Bach bekommt, hätte wohl selbst die eingefleischtesten Mosaik-Fans überrascht. Doch genau das ist nun passiert: Zum 125-jährigen Bestehen der Neuen Bachgesellschaft entstand eine Sonderausgabe, die Bach so nahbar zeigt wie selten zuvor – oft sogar ohne die ikonische Perücke. Und schon jetzt ist das Heft ein kleiner Publikumsrenner.
Prof. Dr. Dr. h.c. Christfried Brödel, Vorstandsvorsitzender der Neuen Bachgesellschaft, erklärt die Grundidee im Gespräch mit Klassik-Radio-Redakteurin Farah Losch: „Die Bachgesellschaft hat sich als wesentliche Aufgabe gestellt, das Werk und das Leben von Johann Sebastian Bach möglichst bekannt zu machen in alle Schichten der Bevölkerung hinein.“ Besonders wichtig sei jedoch die junge Generation. „Wir hatten schon lange überlegt, dass es besonders wichtig ist, die junge Generation an das Leben und das Werk von Johann Sebastian Bach heranzuführen.“

Warum ein Comic? Weil er Menschen erreicht, die sonst vielleicht nie ein Bach-Buch in die Hand nehmen würden. Brödel: „Wir dachten, dass wir mit dieser Art von Veröffentlichung andere Leute erreichen, die normalerweise von unseren Publikationen zu Bach nicht erreicht werden.“
Der MOSAIK-Verlag war sofort begeistert. Aus ersten Gesprächen wurde eine zweijährige Zusammenarbeit – und ein Heft, das heute bereits Kultcharakter annimmt. Schon kurz nach Veröffentlichung brach eine Bestellwelle los: „Wir hatten innerhalb von zwei Tagen nach der Präsentation über 1000 Bestellungen.“
Bis Weihnachten werden 20.000 Hefte zur Verfügung stehen, weitere Nachdrucke sind geplant.
Wie aber bringt man einem Comic-Lesepublikum den vielleicht größten Komponisten der Musikgeschichte näher? Der Comic wählt einen faszinierenden Ansatz: Er zeigt eine Woche im Bach-Haushalt des Jahres 1725, mitten in Bachs früher Leipziger Zeit.
Brödel beschreibt das Grundkonzept so: „Wir haben uns entschlossen, eine Woche im Hause Bach aus dem Jahr 1725 zu zeigen… wie am Sonntag anfangend die Woche über die Kantate entsteht und dann am nächsten Sonntag wird sie aufgeführt.“
Damit taucht man hinein in Bachs Alltag zwischen Thomasschule, Familienleben, musikalischen Verpflichtungen und den kleinen Herausforderungen des Leipziger Stadtlebens. Unterstützt wurde das Projekt von Prof. Peter Wollny, dem Direktor des Bach-Archivs, der sorgte, dass das historische Fundament stimmt. „Er hat dafür gesorgt, dass das historisch sehr wahrscheinlich ist, was da geschildert wird.“
Natürlich bleibt der Comic eine Erzählung, keine Dokumentation: „Diese Woche ist anekdotisch angereichert, das ist nicht dokumentarisch, sondern eine schöne Erzählung, die aber Wesentliches über Johann Sebastian Bach und seine Musik aussagt.“
Zentral für die Geschichte ist eine liebevolle Rahmenerzählung: Zwei heutige Thomaner fragen sich, wie es damals war, als Bach jede Woche eine neue Kantate komponierte. Dann springen wir zurück ins Jahr 1725 – und hinein platzen die Abrafaxe, die Kultfiguren des MOSAIK.
Die Comic-Helden helfen zum Beispiel in der Druckerei, in der die Noten und Texthefte für die Kantaten entstehen. Brödel schwärmt: „Es ist eine herrliche Verbindung der Comic-Anlage mit dem Inhalt Johann Sebastian Bach.“
Auch Bachs Frau Anna Magdalena spielt eine wichtige Rolle. Das Ergebnis sei „ein richtiges buntes Heft, das man sehr gerne liest und das auch sehr unterhaltsam ist.“

Das Sonderheft heißt „Bube Dame König Bach“. Wie kam es zu diesem ungewöhnlichen Titel?
Brödel lacht: „Bube, Dame, König, Ass ist ja eine bekannte Folge von Worten. Buben, das sind die Thomano. Die Dame ist die Frau von Bach. Der König ist hier nicht besetzt, aber Bach ist das Ass.“
Damit der Comic nicht nur Bilder, sondern auch Musik vermittelt, führt ein QR-Code direkt zu einer Playlist. „Auf diese Weise kann jeder, der über ein Smartphone verfügt, sich auch in verschiedene bekannte Werke hineinhören.“
Ein kluger Schachzug – denn wie bringt man in einem Medium ohne Ton die Magie von Bachs Musik rüber? Genau so.

Die Antwort ist klar – und gesellschaftlich wichtig. „Heute ist ja nicht mehr unbedingt gegeben, dass jeder in der Schule über Bach etwas lernt… Deswegen ist es unsere Aufgabe, da viel zu tun.“
Der Comic reiht sich ein in Unterrichtsmaterialien und Projekte der Neuen Bachgesellschaft, die Kinder und Jugendliche mit Bach in Berührung bringen möchten. „Es ist unsere wesentliche Aufgabe, dass die junge Generation dieses wichtige Kulturgut weiterhin kennt und hoffentlich auch schätzt.“
Und die Resonanz? In einem Wort: überwältigend. Nicht nur die Hefte gehen weg wie warme Semmeln. Auch 500 handsignierte Grafiken aus dem Comic waren sofort ausverkauft. „Wir hätten nie gedacht, dass es ein so großes Echo gibt.“
Das Sonderheft ist nicht im Handel, aber kostenlos erhältlich – gegen freiwillige Spende. Es liegt aus im Bachhaus Eisenach, im Thomasshop Leipzig, im Bach-Museum Leipzig – oder direkt bei der Neuen Bachgesellschaft in Leipzig. Die Spenden unterstützen Jugendprojekte und Bildungsarbeit.
* Mit Ihrer Registrierung nehmen Sie die Datenschutzerklärung zur Kenntnis


