Musik lebt von Stille – Zum Tod von Alfred Brendel

Musik lebt von Stille – Zum Tod von Alfred Brendel

Er war ein Denker am Klavier, ein scharfer Geist mit feinem Humor, ein Vermittler zwischen Notentext und Welt. Alfred Brendel hat nicht einfach gespielt – er hat verstanden, hinterfragt, geliebt. Es ging ihm nicht um die Technik, sondern um die Musik an sich. Mit ihm verliert nun die Musikwelt eine ihrer großen Persönlichkeiten.

Alfred BrendelFoto: United Archives GmbH / Alamy Stock Foto

Geboren wurde Brendel am 5. Januar 1931 im mährischen Wiesenberg. Seine Kindheit war geprägt von Ortswechseln, Krieg aber auch einem liebevollen Elternhaus. Seinen ersten Klavierunterricht bekam er im Alter von sechs Jahren und schnell wurde klar, in diesem Jungen steckt mehr – eine tiefe Verbundenheit zur Musik. Mit 17 spielte er sein erstes öffentliches Konzert. Es war der Beginn einer einzigartigen Reise.

Brendel wurde nie ein Virtuose im gängigen Sinne. Doch darum ging es ihm auch nie: Er wollte nicht beeindrucken, sondern berühren – dort, wo Musik zur Sprache der Seele wird. Es ging ums Hören, ums Fragen. Besonders in den Werken von Beethoven, Mozart, Schubert und Liszt fand er einen Raum, in dem er Gedanken in Klang verwandeln konnte. Seine Interpretation der späten Schubert-Sonaten oder Beethovens Diabelli-Variationen sind wahre Meisterwerke – Einspielungen, die nicht altern, weil sie nie modisch waren.

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Dabei war Brendel mehr als Interpret. Er war Schriftsteller, Philosoph, Beobachter. Seine Essays über Musik zeugen von analytischer Tiefe und augenzwinkernder Selbstironie. Er schrieb Gedichte mit Titeln wie „Cursing Bagels“ – und traf auch dort den Ton zwischen Absurdität und Wahrheit. Wer ihn je in Interviews erlebte, spürte: Dieser Mann hörte genau hin – und konnte auch über sich selbst lachen.

Trotz aller Auszeichnungen – darunter der Léonie-Sonning-Musikpreis, die Ehrenmitgliedschaft der Wiener Philharmoniker und unzählige internationale Ehrendoktorwürden – blieb Brendel zurückhaltend. Er trat 2008 vom Konzertpodium ab, mit einem Mozart-Konzert in Wien. Doch das bedeutete keinen Abschied vom Denken. Als Lehrer, Mentor und Vorbild prägte er junge Musiker wie Paul Lewis oder Till Fellner.

Am 17. Juni 2025 ist Alfred Brendel im Alter von 94 Jahren in London gestorben. Was er hinterlässt, ist nicht nur Musik, sondern ein Werk, das über Jahrzehnte gewachsen ist – in Konzertsälen, auf Tonträgern, in Büchern, in Gesprächen. Seine Aufnahmen bleiben, seine Texte ebenso. Vor allem aber bleibt das, was man nicht festhalten kann: der Eindruck, den er hinterlassen hat bei jenen, die durch seine Kunst anders zu hören begannen.


  • Alfred Brendel war ein tiefgründiger Pianist, der Musik nicht nur spielte, sondern verstand, hinterfragte und mit feinem Humor vermittelte.
  • Seine Kindheit war von Umbrüchen und Krieg geprägt, doch schon früh zeigte sich seine außergewöhnliche Verbundenheit zur Musik und sein Talent am Klavier.
  • Brendel strebte nie nach Virtuosität, sondern nach Ausdruck und Tiefe, besonders in Werken von Beethoven, Mozart, Schubert und Liszt, deren Interpretationen als zeitlos gelten.
  • Neben seiner Karriere als Pianist war er auch als Schriftsteller, Philosoph und humorvoller Beobachter bekannt, dessen Essays und Gedichte analytische Tiefe und Selbstironie zeigen.
  • Trotz zahlreicher Auszeichnungen blieb er bescheiden, prägte als Lehrer und Mentor Generationen junger Musiker und hinterlässt ein bleibendes künstlerisches Erbe.
Holger Hermannsen / 18.06.2025

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