Oberammergauer Passionsspiele feiern Premiere

Nach 12 Jahren wieder auf der Bühne:Oberammergauer Passionsspiele feiern Premiere

Der Countdown läuft: in zwei Tagen findet in Oberbayern eine ganz besondere Premiere statt: die der Oberammergauer Passionsspiele. Die kann man nur alle 10 Jahre genießen.

Oberammergauer Passionsspiele feiern PremiereFoto: Adobe Stock/Travis

Tradition mit leichter Verspätung

1633 schworen die Stadtbewohner in diesem Abstand das Leiden und Sterben Christi auszuführen, wenn nur niemand mehr an der Pest sterbe. Dieses Gelübte haben sie bisher immer eingelöst. Eigentlich war die nächste Aufführung für 2020 geplant. Pandemiebedingt wurde sie im letzten Moment verschoben. Nicht das erste Mal in der Geschichte, erklärt Spielleiter Christian Stückl: "Genau 100 Jahre zurück, 1920, musste das Passionsspiel aufgrund der Spanischen Grippe abgesagt werden. Man hat damals 1922 nachgespielt, also hat das irgendwie auch eine gewisse Tradition."

Kein "Copy-Paste" bei Wiederaufführung

Das Verschieben der Passionsspiele brachte einige Änderungen und Umstände mit sich: "Man kann keine Passion "copy-paste" machen und kann einfach sagen: 'so jetzt fangen wir wieder an." Was mich total freut und was das Wichtigste für das Passionsspiel ist: das der Stamm derer, die die Hauptrollen spielen, eigentlich alle beieinander geblieben sind. Von den 42 Hauptdarstellern sind 39 geblieben und das war eigentlich der feste Grundstock für das Ganze", so Stückl.  Dafür gab es einigen Schwund bei den Nebendarstellern: insgesamt 400 sind ausgestiegen, da sie ihr Studium oder ihr Leben neben der Passion nicht mehr mit den Proben vereinbaren können. Dennoch wirken auch diesmal rund 2100 Menschen mit.

Halbe Stadt steht auf der Bühne

Denn Tradition ist auch: die Spieler der Passion sind Stadtbewohner und Laien: vom Kind bis zum Großvater ist ein Großteil der Stadt involviert - und zwar unabhängig davon, ob sie nun christlich oder atheistisch sind oder einer anderen Religion angehören. Jede Rolle ist doppelt besetzt und trotzdem gibt es keine Erst- oder Zweitbesetzung, sondern beide sind gleichberechtigt. So wurde auch per Los entschieden, welche Besetzung am Tag der Premiere auf der Bühne stehen darf. Aus guten Grund, erklärt Stückl:

"Die Jesus-Darsteller sind beide sehr unterschiedlich. Sie sind eben einfach zwei unterschiedliche Menschen und spielen das auch unterschiedlich, aber beide gut. Und so ist das durch die Bank bei allen Rollen, dass ich mir denke: 'sie spielen das alle unterschiedlich, aber alle gut."

Alte Tradition begeistert junge Menschen

Dabei freut Christian Stückl vor allem eines: "Eigentlich kann man sagen, das Passionsspiel wird in der Gesamtheit von den 20 bis 35-jährigen getragen. Das freut mich total, dass bei uns einfach so ein wahnsinniges Interesse auch der jungen Leute an dem Passionsspiel besteht. Dass das nicht so etwas ist wie von vorgestern, dass man denkt, dass sind ein paar alte Leute, die machen etwas Konservatives, sondern dass auch die jungen Leute voll dabei sind."

Passion jedes Mal etwas anders

Das liegt vielleicht auch daran, dass die Passionsspiele nicht jedes Mal stumpf nach Vorlage gespielt werden, sondern es immer leichte Nuancen bei den biblischen Figuren und der Erzählung gibt. Das war nicht immer so: Christian Stückl ist seit 1987 Spielleiter und anfangs war es nicht so einfach, Abweichungen von der Vorlage durchzusetzen. Mittlerweile ist das anders. Und so soll der Jesus bei diesem Mal lauter werden: "Mir ist dann so ein Satz eingefallen, wo Jesus sagt: 'Es ist wie in den Tagen Noahs: sie sehen die Sinnflut kommen, doch sie achten nicht darauf.' Und die Sinnflut kam und riss alle dahin. Also es ist schon fast ein verzweifelter Jesus in unserer heutigen Gesellschaft.

Plötzlich merkt man auch (...) wie bestimmte Wörter ganz anders klingen, z.B. 'liebe deine Feinde' oder 'wir sind umgeben von Krieg' - so werden im Zusammenhang mit dem Ukraine Krieg bestimmte Sachen total wichtig.

Vom Mini-Orchester zur Großbesetzung

Doch nicht nur der Text wird angepasst, sondern auch die Musik, die ursprünglich von Rocus Dederer stammt, erklärt Markus Zwink, der musikalische Leiter. Denn das Original involvierte viel weniger Musiker: "Natürlich für das damalige Dorforchester und den damaligen Dorfchor geschrieben. Zwar schon vor 4000 Zuschauern, aber mit einer Besetzung mit acht Mann im Chor und ungefähr genauso vielen Instrumentalisten: also eine Minibesetzung! Heute haben wir einen Pool an Chorleuten von über 120 und im ORchester sind es noch ein paar mehr. Sie spielen im routierenden System in insgesamt 110 Aufführungen."

Es ist eine Mammut-Arbeit, die hinter den Passionsspielen steckt: kein Wunder, dass Menschen aus ganz Deutschland und  - außerhalb von Coronazeiten – aus der ganzen Welt anreisen, um sich das besondere Schauspiel anzusehen.

Weitere Infos auf der Website der Passionsspiele.

11.05.2022

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